Regierung in Guatemala nach Vulkan-Katastrophe zunehmend unter Druck

110 Tote, knapp 200 Vermisste. Warnungen der Seismologen ignoriert. Staatsanwaltschaft ermittelt. Parlament billigt indes umstrittene Gesetze

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Der nationale Katastrophenschutz (Conred) und lokale Einsatzkräfte am Einsatzort in Guatemala
Der nationale Katastrophenschutz (Conred) und lokale Einsatzkräfte am Einsatzort in Guatemala

Guatemala-Stadt. Zahlreiche Guatemalteken sind am Wochenende in der Hauptstadt des Landes aus Protest über das mangelhafte Krisenmanagement der Regierung nach dem jüngsten verheerenden Vulkanausbruch auf die Straße gegangen. Wie nun bekannt wurde, hatte der nationale Katastrophenschutz (Conred) die Empfehlung der Seismologen, das Gebiet sofort zu evakuieren, über viele Stunden ignoriert. Zudem sieht sich die Regierung dem Vorwurf ausgesetzt, die Zeit nach der Katastrophe zur Verabschiedung äußerst umstrittener Gesetze genutzt zu haben.

Während des Protests forderten die Beteiligten lautstark den Rücktritt von Staatspräsident Jimmy Morales, da die Behörden weder adäquat auf den Vulkanausbruch vorbereitet waren noch der Präsident selber angemessen reagiert habe. Unterdessen wird in der Öffentlichkeit auch der Ruf nach der Suspendierung von Conred-Leiter Sergio Cabañas immer lauter.

Am Tag nach der Katastrophe hatte Morales verkündet, "das Haushaltsgesetz erlaubt es dem Staat nicht, einen Centavo für Notfälle auszugeben". Experten und Beamten sind sich jedoch einig, das der Präsident schlicht den Notstand ausrufen muss, um öffentliche Gelder bereitzustellen.

Die friedliche Demonstration unter dem Motto Seamos Luz (Seien wir Licht) in Guatemala-Stadt begann mit kulturelle Aktivitäten an der Universität. Danach marschierten mehrere hundert Guatemalteken mit Fackeln, Fahnen und Musikinstrumenten zum Kongress, wo sie eine Schweigeminute für die Opfer des Ausbruchs des Vulkans Fuego einlegten. Auch in Antigua zündeten die Menschen Kerzen zu Ehren der Vermissten an.

Insgesamt sind 1,7 Millionen Menschen von dem Vulkanausbruch betroffen. Bislang werden offiziell 110 Todesopfer gezählt, knapp 200 Personen werden noch immer vermisst. Es bestehen in der Bevölkerung jedoch erhebliche Zweifel an der Zahl der Vermissten, da mitunter ganze Dörfer massiv von der Eruption betroffen waren. Die Zeitung Prensa Libre vermutet, dass die Zahl der Opfer noch rasant steigen könne.

Tage nach der Katastrophe wurde bekannt, dass das Nationale Institut für Seismologie, Vulkanologie, Meteorologie und Hydrologie (Insivumeh) am Tag des Vulkansaubruchs bereits in den frühen Morgenstunden Alarm geschlagen hatte. Die Experten hatten gegenüber dem Conred zudem die Empfehlung ausgesprochen, die Bevölkerung sofort zu evakuieren. Sowohl diese Empfehlung, als auch drei weitere wurden ignoriert. Erst um 14 Uhr hat das Conred Berichten zufolge mit der Evakuierung begonnen. Nach Ansicht von Experten habe es jedoch schon viel früher ausreichende Indikatoren gegeben, mit diesen Maßnahmen zu beginnen. Um 15:20 Uhr folgte die zweite und größere Eruption des Vulkans. Die betroffene Bevölkerung hatte aufgrund des heftigen Regens mitunter Schwierigkeiten, das Gefahrengebiet durch steigende Flüsse zu verlassen. 

Conred-Leiter Cabañas entgegnete den Vorwürfen, die Vorhersagen seien nicht explizit und präzise genug gewesen. Mittlerweile leitete die Staatsanwaltschaft Ermittlungen ein, ob die Sicherheitsbehörden möglicherweise zu spät die Evakuierung angeordnet haben.

Das Institut Insivumeh beklagt schon seit geraumer Zeit, über lediglich zwei statt der benötigten sechs Seismographen zu verfügen, wodurch eine effektive Überwachung der drei aktiven Vulkane im Land nicht gewährleistet werden kann. Hierzu seien Investition von 22 Millionen US-Dollar nötig, so das Insivumeh.

Indes erklärte Guatemalas Gesundheitsminister, die humanitäre Katastrophe durch den Vulkanausbruch werde so schnell nicht enden. Durch Regenfälle, die noch zwei bis drei Monate andauern, werde noch Zeit vergehen, bis sich die Lage entscheidend bessert.

Neben der Verfehlungen im Umgang mit der Naturkatastrophe sieht sich die Regierung auch mit dem Vorwurf konfrontiert, vergangenen Freitag im Parlament die Trauer und den Schock der Bevölkerung ausgenutzt zu haben, um umstrittene Gesetzesvorhaben zu verabschieden. Eines soll gleichgeschlechtliche Ehen verbieten sowie nicht-therapeutische Abtreibungen unter Strafe stellen. Ein weiterer Entwurf sieht die Möglichkeit der Amnestie für Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bürgerkriegs 1960-1996 vor. Bei Inkrafttreten könnten so unter anderem Ermittlungen wegen Folter, Verschwindenlassens oder Vergewaltigung eingestellt werden.