Energiesektor in Brasilien steht vor totaler Privatisierung

Regierung von De-facto Präsident Temer pusht Privatisierungen vor Wahl im Oktober. Italienischer Energiekonzern wird Brasiliens größter Stromlieferant

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"Energie ist keine Handelsware". Am heutigen Montag beginnt in Brasilien ein dreitägiger Streik gegen die weitere Privatisierung der Stromversorgung
"Energie ist keine Handelsware". Am heutigen Montag beginnt in Brasilien ein dreitägiger Streik gegen die weitere Privatisierung der Stromversorgung

Brasília. Die Regierung aus Konservativen und Neoliberalen in Brasilien intensiviert vor den Präsidentschaftswahlen im Oktober ihr Vorhaben, staatliches Eigentum zu privatisieren. Am vergangenen Montag veräußerte die Regierung unter De-facto Präsident Michel Temer den Großteil des größten brasilianischen Energieunternehmens Eletropaulo an den italienischen Konzern Enel. Zudem hat sie versucht, das Energieunternehmen Eletrobras aus Rio de Janeiro zu verkaufen. Ein Gericht verbot dies jedoch zunächst.

Mit dem Verkauf von Eletropaulo an den italienische Energiekonzern wechseln sieben Millionen Haushalte aus dem Großraum São Paulo ihren Stromzulieferer. Medienberichten zufolge hat Enel 5,5 Milliarden Reais (rund 1,2 Milliarden Euro) investiert und rund 122 Millionen Aktien während der Versteigerung an der Börse São Paulo gekauft. Dies entspricht 73 Prozent der Aktien von Eletropaulo. Von der Übernahme hat insbesondere der brasilianische Bundeshaushalt profitiert, der einen Großteil der Anteile von Eletropaulo hielt. Die Aktien hatten im Vorfeld an Wert gewonnen, da dem Verkauf ein Wettbieten zwischen den beiden größten europäischen Stromkonzernen, der Enel und der spanischen Iberdrola, vorausging. Während der spanische Rivale circa 40 Reais (8,70 Euro) pro Aktie geboten hatte, legte der italienische Konzern 45 Reais (9 Euro) auf den Tisch.

Mit dem Einkauf verdoppelt das italienische Energieunternehmen seinen Umsatz im Land. Bisher beliefert es bereits zehn Millionen Haushalte in den Bundesstaaten Rio de Janeiro, Goiás und Ceará. Damit steigt die Enel zu Brasiliens größtem Stromlieferer auf und überholt die CPFL-Gruppe des chinesischen Unternehmens State Grid. Der größte Anteilseigner und wesentliche Kontrollinstanz der Enel ist das italienische Wirtschafts- und Finanzministerium. Der Jahresumsatz des vergangenen Jahres betrug nach einem Zuwachs von 5,7 Prozent 74,6 Milliarden Euro, während der Nettogewinn um 47 Prozent auf 3,78 Milliarden Euro kletterte. Medienberichten zufolge rangiert Enel vom Marktwert unter den größten europäischen Unternehmen.

Weltweit beliefert der Konzern rund 65 Millionen Haushalte und verfügt über eine Kapazität von 88 Gigawatt, knapp die Hälfte davon entfallen laut Unternehmensangaben auf erneuerbare Energiequellen. Die Übernahme in Brasilien forciert die Konzentration auf dem Energiemarkt.

Zeitgleich stehen in Brasilien weitere Privatisierungen in großem Maßstab an. Zuletzt hatte die Regierung in Brasília versucht, ihre Mehrheiten der Eletrobras, dem größten Stromproduzenten Lateinamerikas zu veräußern. Dagegen hat das Arbeitsgericht in Rio de Janeiro Einspruch erhoben. Das Gericht ordnete an, dass das Unternehmen innerhalb von 90 Tagen eine Studie über die Auswirkungen der geplanten Privatisierung auf die 7.500 Angestellten vorzulegen und über die Maßnahmen zur Sicherung der Stellen zu informieren hat.

Die Arbeiter der Eletrobras kündigten für den heutigen Montag die Aussetzung der Arbeit für drei Tage an, um gegen die Verkaufspläne zu protestieren. Der Koordinator der zuständigen Gewerkschaft CNE (Coletivo Nacional dos Eletricitários), Wellington Araújo Diniz, geht davon aus, dass sich viele der 24.000 Angestellten dem Streik anschließen werden.

Währenddessen lässt die brasilianische Regierung an ihrem Bestreben, nationales Eigentum größtmöglich zu veräußern, keine Zweifel. Ihr verbleiben nur noch einige Monate. Nicht nur die Privatisierung staatlicher Unternehmen wird vorangetrieben, sondern auch die der natürlichen Ressourcen des Landes. Neben den Ölreserven des Pré-Sal-Gebiets steht auch das Wasservorkommen Guarani, ein 1,2 Millionen Quadratkilometer großer Grundwasserleiter, auf der Liste der an Private veräußerbaren öffentlichen Güter. Die Verhandlungen mit den führenden transnationalen Unternehmensgruppen der Sparte, darunter Nestlé und Coca-Cola, erfolgen laut Medienberichten in großen Schritten.