Venezuela / EU / Politik

Regierung in Venezuela sucht Dialog mit Opposition, EU fordert Neuwahl

Oppositioneller Falcón will Ergebnis anfechten. Präsident Maduro trifft sich mit Christdemokraten. EU für Neuwahl. Deutsche Abgeordnete äußern sich

wahlen_venezuela_2018.jpg

Bei der Auszählung der Wahlen in Venezuela. Die EU erkennt den Urnengang nicht an
Bei der Auszählung der Wahlen in Venezuela. Die EU erkennt den Urnengang nicht an

Caracas/Brüssel/Berlin. In Venezuela und auf internationaler Ebene setzt sich die Debatte um die Präsidentschaftswahlen am 20. Mai fort. Der unterlegene Oppositionskandidat Henri Falcón hat am Mittwoch dem Obersten Gerichtshof in Caracas Dokumente übergeben, die eine Manipulation der Abstimmung belegen sollen. "Heute legen wir die Beweise vor für Bestechung und Stimmenkauf, in den (Präsident Nicolás) Maduro verwickelt ist", sagte er gegenüber Medien. Man verfüge nun über die Unterlagen, die Unregelmäßigkeiten am 20. Mai belegten, so Falcón in einem Kommentar beim Kurznachrichtendienst Twitter. Die Belege seien von seinem Team während einer Woche zusammengetragen worden.

Im Kern wiederholte Falcón dabei frühere Vorwürfe. Schon während des Wahlkampfes sei es zu Vorteilsgabe zugunsten des amtierenden und wiedergewählten Präsidenten Maduro gekommen, so der Oppositionspolitiker, der den Missbrauch staatlicher Medien und finanzieller Ressourcen für den Amtsinhaber beklagte. Zudem führte er die Präsenz von Infoständen der sozialistischen Regierungspartei PSUV, die sogenannte assistierte Stimmabgabe und Nötigung von Beobachtern seiner Partei in Wahllokalen an.

Falcóns Position ist allerdings politisch geschwächt. Er muss sich nicht nur gegen radikale Teile der Opposition behaupten, die sich ihm entgegen für einen Wahlboykott ausgesprochen hatten, sondern auch gegen die Christdemokraten, die ihn bei den Wahlen noch unterstützt haben. Während Falcón nun gegen das Ergebnis klagt und Neuwahlen durchsetzen will, kamen führende Vertreter der christdemokratischen Partei Copei mit Maduro zusammen. Dabei ging es darum, Auswege aus der schweren wirtschaftlichen, sozialen und politischen Krise des Landes zu beraten. Regierungsvertreter zogen eine positive Bilanz des Treffens.

Kommunikationsminister Jorge Rodríguez bezeichnete den Dialog mit den Christdemokraten von Copei als Teil einer Dialogstrategie zwischen Regierung und Opposition. In diesem Zusammenhang sei Präsident Maduro auch mit Vertretern privater und öffentlicher Medien sowie von Banken zusammengekommen. Zuvor hatte Maduro angekündigt, inhaftierte Regierungsgegner zu begnadigen.

Am Freitag dann verkündete der Oberste Gerichtshof die Haftentlassung von 39 Gefangenen wegen politischer Delikte, darunter der Oppositionspolitiker Daniel Ceballos. Der ehemalige Bürgermeister des Verwaltungsbezirks San Cristóbal im Teilstaat Táchira wurde wegen seiner Beteiligung an gewalttätigen Protesten wegen Aufstands und Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Nach seiner Entlassung muss er sich alle 30 Tage bei der Polizei melden und darf das Land nicht verlassen. In Venezuela sitzen mehrere Oppositionelle wegen ihrer Beteiligung an gewalttätigen Protesten zwischen 2014 und 2018 in Haft, Gegner der linksgerichteten Regierung und ausländische Regierungen bezeichnen diese und weitere Inhaftierte als politische Gefangene und kritisieren Menschenrechtsverletzungen in den Gefängnissen.

Anfang dieser Woche forderten die EU-Außenminister bei einem Treffen in Brüssel Neuwahlen in Venezuela. Die Abstimmung vom 20. Mai sei weder frei noch fair gewesen, hieß es seitens des Ministerrates. Nach Informationen aus diplomatischen Kreisen hatte die EU schon vor der Wahl neue politische Sanktionen gegen Vertreter der venezolanischen Regierung und staatlicher Institutionen beraten. "Wir gehen davon aus, dass es zu Neuwahlen kommen muss", sagte der deutsche Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD).

Deutliche Kritik an dieser Linie äußerte der ehemalige spanische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero. Die EU-Sanktionen seien "ein einfaches Mittel, sie tragen aber nicht zum Frieden (in Venezuela) bei", sagte der spanische Sozialdemokrat. In Venezuela müsse es nun in erster Linie um Stabilität gehen, so Zapatero, der für "Dialog, Geduld und Zuhören" warb. Sanktionen seien in diesem Zusammenhang "nicht hilfreich".

Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, die die Wahlen in Venezuela begleitet hatten, kritisierten die konfrontative Haltung der Bundesregierung und der EU. "Der Wahlablauf war meinen Erfahrungen nach nicht zu beanstanden, der Vorwurf der Wahlfälschung scheint mir nicht haltbar", sagte Simone Barrientos gegenüber amerika21. Allerdings sei aufgrund der Krise und des Boykotts der Opposition die Beteiligung niedrig gewesen. "Wenn die Opposition nicht zum Boykott aufgerufen hätte, hätte sie – das zeigen die Zahlen – eine echte Chance gehabt. Aber wer keine Lösungen anzubieten hat, hat daran aber wohl kein Interesse", sagte die Abgeordnete weiter.

"In unseren Gesprächen wurde deutlich, dass die Sanktionspolitik der USA und der EU dem Land schadet, das haben nicht nur Vertreter des Regierungslagers gesagt", sagte der Linken-Abgeordnete Michel Brandt im amerika21-Gespräch. Wirtschaftliche Sanktionen würden der Zivilbevölkerung schaden und die humanitäre Krise verschärfen. "Die politischen Sanktionen der EU drohen die Kontakte mit der venezolanischen Regierung weiter einzuschränken", so Brandt weiter. Dabei sei es gerade jetzt wichtig, die diplomatischen Kanäle offenzuhalten.