Tödliche Polizeigewalt gegen Jugendliche, Schwarze und Kinder in Brasilien

São Paulo. Im Jahr 2017 hat die Zahl der Todesopfer durch Polizeieinsätze mit 943 Fällen einen neuen Rekord im brasilianischen Bundesstaat São Paulo erreicht. Laut einer bisher unveröffentlichten Studie der Soziologin Samira Bueno werden besonders junge Männer, Schwarze und Kinder häufiger Todesopfer im Rahmen von Polizeiaktionen als Opfer von sonstigen Tötungsdelikten.

Von 2014 bis 2016 waren 16 Prozent der von der Polizei Getöteten unter 17 Jahre alt, doppelt so viele wie bei allgemeinen Tötungsdelikten (8 Prozent). Darüber hinaus waren 67 Prozent der Opfer "schwarz" oder "dunkelhäutig".

Für die Soziologin Samira Bueno, Autorin der Studie und Direktorin des brasilianischen Sicherheitsforums, ist der Einfluss von Rassen- und Altersfaktoren bei der Anwendung tödlicher Gewalt durch Polizeibeamte offensichtlich. Die Nichtregierungsorganisation bringt Experten zu diesem Thema zusammen und zeigte, dass zwischen 2013 und 2016 pro Tausend Jugendliche rund 6 Jugendliche, die bei einer Tat ertappt wurden, durch Polizisten getötet wurden. Insgesamt wurden in der Studie 3.107 Fälle der letzten vier Jahre untersucht.

Unter den jüngeren Opfern von Polizeiinterventionen befinden sich auch 10- und 11-jährige Jungen, die alle aus den Randgebieten des Großraums São Paulo kamen. "Dies zeigt, dass Polizeieinsätze gegen junge Täter gewalttätiger sind," sagt Samira Bueno.

Die Forscherin führte für ihre Studie auch Gespräche mit inhaftierten Polizisten, die wegen Mordes in solchen Fällen verurteilt sind. "Es herrscht eine gewisse Unverständlichkeit bei den Ex-Polizisten. Ihrer Meinung nach hätten sie gerecht gehandelt oder das Richtige getan. Einige wurden von ihrem Kommando sogar beglückwünscht, wenn ein Polizeieinsatz mit dem Tod eines mutmaßlichen Angreifers endete", sagte sie.

Bueno zufolge spiegelt sich diese "präventive Taktik" der Polizei in den Statistiken wider. Während die gesamte Mordrate im Bundesstaat São Paulo zwischen 2001 und 2016 um 65 Prozent gesunken ist, nahmen die polizeilich bedingten Todesfälle im gleichen Zeitraum um 42 Prozent zu. Infolgedessen erhöhte sich die Anzahl der Todesopfer durch die Polizei an der Gesamtzahl der Tötungsdelikte. Laut dem brasilianischen Institut Sou da Paz wird heutzutage jeder fünfte Todesfall im Bundesstaat durch die Polizei provoziert.

Die Todesfälle durch die Polizei konzentrieren sich dabei auf 20 Gemeinden, in einigen Regionen machen sie bis 45 Prozent aller Fälle aus. Dies sei darauf zurückzuführen, dass es keine klare Politik gebe, um den Einsatz von Gewalt zu unterbinden.