Kuba / Politik

Generationenwechsel im sozialistischen Kuba

Bisheriger Vizepräsident Miguel Díaz-Canel tritt die Nachfolge von Fidel Castro und Raúl Castro an. Hoher Frauenanteil im Staatsrat

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Die kubanische Nationalversammlung wählte auch den neuen 31-köpfigen Staatsrat
Die kubanische Nationalversammlung wählte auch den neuen 31-köpfigen Staatsrat

Havanna. Die kubanische Nationalversammlung hat auf ihrer konstituierenden Sitzung am Donnerstag einen neuen Staatsrat gewählt und den bisherige Vizepräsidenten Miguel Díaz-Canel als Nachfolger Raúl Castros zum Präsidenten des Landes bestimmt. Castro kündigte auf der Sitzung auch seinen Rücktritt vom Amt des Generalsekretärs der Partei bis zum Jahr 2021 an. In Kubas neuer Führungsmannschaft finden sich nun mehr Frauen, Afrokubaner und Jugendliche. Neben Castro schieden auch einige andere Regierungsmitglieder der sogenannten historischen Generation der Revolutionäre von 1959 aus dem Gremium aus.

"Die Revolution endet nicht bei ihren Guerilleros", sagte der frisch gewählte Präsident Díaz-Canel in seiner Rede vor den Abgeordneten. 603 der 604 anwesenden Parlamentarier stimmten für den 58-jährigen als Präsident des Staats- und Ministerrats. Díaz-Canel dankte der historischen Generation für ihre Leistungen beim Aufbau des kubanischen Sozialismus. Aufgrund seiner Verdienste bleibe Raúl Castro weiterhin "an der Spitze der politischen Avantgarde", so Díaz-Canel. Das Mandat dieser Legislatur bestehe in der Fortsetzung der Revolution. Es werde keinen Platz für jene geben, die eine Rückkehr zum Kapitalismus wollen, so Díaz-Canel.

Im Rahmen seiner Rede übte der scheidende Raúl Castro teils heftige Selbstkritik an der Umsetzung der 2011 begonnenen Wirtschaftsaktualisierung. Viele der Reformen seien zu unsystematisch angegangen worden, das Tempo müsse sich erhöhen. Kuba durchlaufe wirtschaftlich komplizierte Zeiten, sagte Castro auch mit Blick auf die anhaltende Wirtschaftsblockade der USA. "Wir leben an einem Ort und in einer Zeit, die keiner Fehler erlauben", so Castro.

Zugleich kündigte er eine Verfassungsreform an, deren Entwurf ab Sommer von einer Arbeitsgruppe des Parlaments erarbeitet werden soll. Anschließend soll die Bevölkerung in einem Referendum abstimmen. Während die führende Rolle der kommunistischen Partei in der Verfassung beibehalten wird, sollen mit der Reform vor allem die Ergebnisse des Reformprozesses kodifiziert werden.

Kubas neuer Präsident Miguel Mario Díaz-Canel Bermudez wurde am 20. April 1960 in dem Örtchen Placetas in der westkubanischen Provinz Santa Clara geboren. Sein Vater arbeitete für eine Brauerei, während seine Mutter als Grundschullehrerin tätig war. Im Jahr 1982 schloss er sein Studium als Elektronikingenieur an der Universität von Santa Clara ab und diente bis 1985 bei den Streitkräften. Im April des selben Jahres begann er als Dozent an seiner ehemaligen Hochschule zu arbeiten, nebenbei war er hauptamtlich als Funktionär für den kommunistischen Jugendverband UJC tätig.

Ende der 1980er Jahre diente Díaz-Canel für einige Zeit in Nicaragua als Jugendfunktionär und stieg schrittweise in der Hierarchie der Kommunistischen Partei Kubas (PCC) auf. Anfang der 1990er Jahre gehörte er bereits zum Vorstand der kommunistischen Jugend, 1993 war er schließlich Mitglied des Provinzkomitees der KP selbst. Im Jahr 1994, dem schlimmsten Jahr der Wirtschaftskrise nach dem Ende der verbündeten UdSSR, wurde er Erster Sekretär der Provinz Santa Clara. In diesen Jahren erwarb er sich die Sporen, welche seinen späteren Aufstieg begünstigen sollten.

Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage machte sich Díaz-Canel für die Kulturschaffenden der Studentenstadt stark. Als Schirmherr hielt er seine Hand über "El Mejunje", den ersten dezidiert schwulen Nachtklub Kubas. Nach seinem Aufstieg als jüngstes Mitglied des Politbüros im Jahr 2003 diente er zwischen 2009 und 2012 als Hochschulminister des Landes. Während seiner Zeit als Vizepräsident des Staatsrats ab 2013 setzte er vor allem bei den Themen Digitalisierung, Internet und Erneuerung der Medien Akzente. So forderte er unter anderem das Ende der "Geheimniskrämerei" in den kubanischen Medien. Das Internet bezeichnete er als "Recht aller", der Zugang dazu müsse "verfügbarer und erschwinglicher" gemacht werden.

Während die Besetzung der Ministerriege in einer späteren Sitzung erfolgt, wurde der 31-köpfige Staatsrat fast einstimmig gewählt. Rund 40 Prozent der Sitze wurden neu vergeben. Der Frauenanteil beträgt inzwischen 48 Prozent. "Drei Frauen wurden als Vizepräsidentinnen des Staatsrats gewählt, davon sind zwei von ihnen schwarz. Dabei sind sie dort nicht wegen ihrer Hautfarbe, sondern aufgrund ihrer Fähigkeiten", kommentierte Raúl Castro die neue Zusammensetzung des Gremiums. Es sei Aufgabe des Staates, Jugendliche, Frauen und Afrokubaner für verantwortungsvolle Ämter zu fördern, so Castro.

Zu den Afrokubanern in der Regierung zählt auch Díaz-Canels Stellvertreter Salvador Valdés Mesa. Der 73-jährige war von 2006 bis 2013 Vorsitzender des Gewerkschaftsbunds CTC und fungierte bereits zwischen 1995 und 1999 als Arbeitsminister des Landes. Auch die parteilose Olympiasiegerin Ypsi Moreno wurde gewählt. Die 37-jährige Hammerwerferin zählte zu den Überraschungskandidaten. Mit Ramiro Valdés und dem 90-jährigen Guillermo García Frías sind noch zwei "Comandantes" der historischen Generation im Staatsrat vertreten. Jüngstes Mitglied ist der 23-jährige Vorsitzende der Studentenföderation FEU, Raúl Alejandro Palmero.