Politische Gewalt gegen linke Opposition in Kolumbien eskaliert

Wagen von Präsidentschaftskandidat Gustavo Petro offenbar mit Schusswaffen angegriffen. Attacken auch gegen Farc-Partei und Aktivisten

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Präsidentschaftskandidat Petro in seinem Wagen während des Attentats. In der Scheibe sind offenbar Einschusslöcher zu sehen
Präsidentschaftskandidat Petro in seinem Wagen während des Attentats. In der Scheibe sind offenbar Einschusslöcher zu sehen

Bogotá. In Kolumbien hat der linksgerichtete Präsidentschaftskandidat Gustavo Petro nach einem bewaffneten Anschlag auf ihn am vergangenen Freitag schwere Vorwürfe gegen die Justiz erhoben. Die Staatsanwaltschaft ermittle in dem Fall nicht und gehe damit nicht gegen die wachsende Bedrohung gegen ihn vor, so Petro. Der Anschlag reiht sich in eine Serie von Angriffen gegen Teile der Opposition ein, von der auch die Linkspartei Farc und zahlreiche soziale Organisationen betroffen sind.

Am Freitag nun wurde Petro, der Kandidat der Wahlbewegung Menschliches Kolumbien (Colombia Humana) von einer aufgebrachten Menschenmenge in seinem Auto attackiert. Die genauen Umstände des Angriffs gelten noch als ungeklärt. In einem auf Petros Facebook-Seite veröffentlichten Video ist zu sehen, wie die Fensterscheiben des Gefährts beschädigt werden. Vermutlich handelte es sich dabei um Schüsse. Im selbigen Video klagt der Präsidentschaftskandidat den fehlenden Schutz politischer Rechte und das Versagen des Rechtsstaates in Kolumbien an.

Dieses Ereignis im Vorfeld der Wahl des kolumbianischen Kongresses am 11. März und der Präsidentschaftswahl am 27. Mai ist bezeichnend für die politische Kultur des südamerikanischen Landes, das trotz des im Ende 2016 geschlossenen Friedensvertrags zwischen der Regierung und der Farc-Guerilla von politischer Gewalt durchzogen ist. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass alleine im vorletzten Jahr 127 soziale Aktivisten Opfer der anhaltenden Konflikte geworden sind. Und auch der diesjährige Wahlkampf offenbart, wie gespalten Kolumbien ist und wie weit das Land von einem wirklichen und nachhaltigen Frieden entfernt ist. Neben Gustavo Petro hatte auch der Präsidentschaftskandidat der Farc, Rodrigo Londoño alias Timochenko, mehrfach unter gewaltsamen Protesten während seiner Wahlkampagne zu leiden. Die Angriffe auf den ehemaligen rechtskonservativen Präsidenten Álvaro Uribe bei einer Wahlkampfveranstaltung am vergangenen Freitag in Popayán zeugen ebenfalls von der Polarisierung des Landes.

Der Ex-Guerillero der Gruppe M-19 und ehemalige Bürgermeister der Hauptstadt Bogotá, Gustavo Petro, gilt als einer der aussichtsreichsten Kandidaten für das Amt des Präsidenten. Im vergangenen Februar führte er mehrere Umfragen an, in der jüngsten Umfrage im Auftrag der Tageszeitung El Tiempo und des Radiosenders Radio W liefert sich Petro ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem rechtskonservativen Kandidaten Iván Duque. Zugleich hat der linke Kandidat mit massiven Widerständen aus den Reihen der kolumbianischen Oligarchie und der Massenmedien zu kämpfen. Während sich die anderen Kandidaten im Wahlkampf ein Wettrennen darum liefern, sich am deutlichsten von der Politik Venezuelas zu distanzieren und das Schreckgespenst des "Castro-Chavismus" an die Wand zu malen, konzentriert sich Petro darauf, die strukturellen Probleme Kolumbiens zu benennen, das laut Weltbank gemessen am Gini-Index zu den zehn Ländern mit der höchsten Ungleichheit weltweit zählt.

Als entschiedener Gegner der Paramilitärs und mit seinen Forderungen, den öffentlichen Wirtschaftsbereich zu stärken, die Ungleichheit des Landbesitzes zu überwinden und ein kostenloses und für alle Bevölkerungsschichten offenes Bildungssystem zu etablieren, stößt der linke Präsidentschaftskandidat auf den Widerstand der Oberschicht. In der ersten Phase des Wahlkampfes gab es bereits mehrere Versuche, Auftritte Petros zu sabotieren. So hatte, wie die Tageszeitung El Espectador berichtet, auch der Bürgermeister der Stadt Cúcuta, César Rojas, mithilfe eines Dekrets erfolglos versucht, den Auftritt des Präsidentschaftskandidaten zu verhindern.

Der Bürgermeister César Rojas steht in Verdacht, mit paramilitärischen Gruppen zusammenzuarbeiten, wie der lateinamerikanische Nachrichtensender Telesur bereits 2015 zu Rojas’ Amtsantritt berichtete. Gustavo Petro wirft diesem nun vor, für den Angriff verantwortlich zu sein und mithilfe mafiöser Banden ein Attentat auf sein Leben verübt zu haben.

Die engen Verstrickungen des kolumbianischen Staates mit bewaffneten Paramilitärs und Drogenbanden sind dabei genauso bezeichnend für die politische Kultur des Landes wie die systematischen Menschen- und Bürgerrechtsverletzungen. Der aktuelle Gerichtsprozess gegen Santiago Uribe, den Bruder des Ex-Präsidenten Álvaro Uribe, wegen Zusammenarbeit mit der für zahlreiche Morde bekannten Paramilitär-Gruppe "Die zwölf Apostel" (Los 12 Apostóles), ist nur ein weiteres Beispiel in einer langen Reihe von Korruptionsskandalen der kolumbianischen Politik.