Chile / Politik

Massive Kritik in Chile an rechtskonservativem Kabinett Piñeras

Frühere Befürworter der Pinochet-Diktatur und ehemaliger Unterstützer der Colonia Dignidad unter den designierten Ministern. Opferverbände bestürzt

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Chiles gewählter Präsident Sebastián Piñera
Soll sich laut Vorwürfen durch Gesetz selbst bereichert haben: Präsident Sebastián Piñera

Santiago. Chiles im Dezember gewählter Präsident Sebastián Piñera hat wenige Wochen vor seinem Amtsantritt das zukünftige Regierungskabinett vorgestellt. Im ehemaligen Kongressgebäude der Hauptstadt Santiago präsentierte er die 23 Frauen und Männer, mit denen er am 11. März seine zweite Regierungszeit (nach 2010-2014) beginnen wird. Unter den Mitgliedern finden sich ehemalige Minister und enge Vertraute. Einige Besetzungen sind äußerst umstritten.

Neuer Minister für Justiz und Menschenrechte wird Hernán Larraín Fernández. Er gilt als wichtiger Unterstützer der deutschen Sektensiedlung Colonia Dignidad und setzte sich gegen politische und juristische Aufklärungsarbeiten ein. Für Myrna Troncoso, Sprecherin der Angehörigenverbände der Verschwundenen und Exekutierten der Maule-Region, in der die Siedlung liegt, ist seine Ernennung in das Ressort ein Schock. Es sei "ein Schlag ins Gesicht aller Opfer", heißt es in einer Pressemitteilung des Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e.V., die Amerika21 vorliegt. Larraín Fernández war zuvor bereits Senator für die Partei UDI. Diese wurde nach der Militärdiktatur unter Augusto Pinochet von Regimegetreuen gegründet. Viele ihrer heutigen Mitglieder haben von der Diktatur profitiert.

Noch am Tag der Bekanntgabe des Kabinetts wurde auch seitens der Opposition lautstarke Kritik an einigen der designierten Minister geübt. So bezeichnete der parteiunabhängige Abgeordnete und ehemalige Sprecher des Studentenverbandes, Gabriel Boric, das Kabinett als "neoliberale Rechte", als "dogmatisch und hart". Besonders problematisch sieht Boric die erneute Ernennung von Felipe Larraín Bascuñán zum Finanzminister. Larraín Bascuñán war Teil des Ausschusses der Weltbank für den diesjährigen Doing-Business-Report. Dieser Bericht hatte in der vergangenen Woche in Chile für große Diskussionen gesorgt, als der Chefökonom der Weltbank, Paul Romer, vermutete, es habe darin politisch motivierte Manipulationen gegeben, um die Regierung Bachelet im Wahlkampf wirtschaftlich schlechter dastehen zu lassen.

Kritik gibt es auch an der neu ernannten Ministerin für Frauen und Geschlechtergleichstellung, Isabel Plá. Die entschiedene Abtreibungsgegnerin hatte in den vergangenen Jahren immer wieder mit Statements über den Kurznachrichtendienst Twitter für Aufsehen gesorgt. Unter anderem hatte sie davor gewarnt, Komplimente als Belästigung zu bezeichnen, da "die Mehrheit der Frauen" sie möge und "keine Komplexe mit ihrer Weiblichkeit hat". Als Reaktion auf ihre Ernennung startete die chilenische Beobachtungsstelle gegen Belästigung im öffentlichen Raum unter dem Hashtag #AcosoEs ("Belästigung ist") eine Online-Kampagne, um der zukünftigen Ministerin zu erläutern, was sexuelle Belästigung sei.

Im statistischen Vergleich zeigt sich das neue Kabinett Piñeras deutlich weniger divers, als es unter Vorgängerin Michelle Bachelet der Fall war. Mehr als zwei Drittel der Mitglieder sind Männer. Eine große Mehrheit (19 der 23) kommt aus Santiago, die meisten haben dort einst an der katholischen Universität studiert. Lediglich die Hälfte der Besetzungen sind Parteipolitikerinnen und -politiker seiner Wahlkoalition, die übrigen sind parteiunabhängige Vertraute.

Einige Posten bleiben im Vergleich zu Piñeras vorheriger Amtszeit personell unverändert. So übernimmt sein Cousin Andrés Chadwick wieder das Innenministerium. Auch Chadwick gilt als ehemaliger Befürworter und Profiteur der Pinochet-Diktatur. Auch Cecilia Pérez wird erneut Regierungssprecherin. Drei weitere Ex-Minister wechseln lediglich das Ressort: Der ehemalige Außenmister Alfredo Moreno geht ins Ministerium für Entwicklung und Soziales, der frühere Wirtschaftsminister Juan Andrés Fontaine ins Bauministerium, neuer Außenminister wird Roberto Ampuero.