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Papst-Besuch in Chile: Anbetung und Kritik an Staat und Kirche

Rolle der katholischen Kirche im Wandel. Verbindung zu Wahlkampf des designierten Präsidenten Sebastian Piñera. Papstbesuch steht in der Kritik

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Papst Franziskus kommt als zweiter Papst zu Besuch nach Chile
Papst Franziskus kommt als zweiter Papst zu Besuch nach Chile

Santiago. Papst Franziskus kommt zwischen dem 15. und 18. Januar zu einem Beusch nach Chile. Er wird ein kurzes aber intensives Programm abwickeln, das ihn nach Temuco, die Hauptstadt Santiago und Iquique führt. Es ist der zweite Besuch eines Papstes in Chile, nachdem Johannes Paul II während der Diktatur unter Augusto Pinochet 1987 in Chile war.

Damals war der Papst religiöser Hoffnungsträger im Kampf gegen die Diktatur und für eine Rückkehr des Landes zu einer parlamentarischen Demokratie. In gewissem Sinne wurde der Papst dem Ruf des chilenischen Volkes nach Demokratie gerecht, als er in den Tränengasschwaden im Parque O´Higgins ausrief: "Habt keine Angst!". Auch ist von ihm der Satz überliefert: "Die Menschen haben das Recht ihre Freiheit zu genießen, auch wenn sie in ihrer Ausübung Fehler begehen."

Die katholische Kirche hatte zu dieser Zeit ein großes moralisches Ansehen, sie bot mit dem Vikariat der Solidarität verfolgten und gefolterten Menschen Schutz, rechtlichen Beistand und materielle Unterstützung. Der unerschrockene Einsatz für die Menschenrechte hat damals fünf geistlichen Seelsorgern das Leben gekostet.

Seither sind 30 Jahre vergangen und Chile, die katholische Kirche und die Stellung der chilenischen Bevölkerung zur Kirche haben sich grundlegend verändert. Unabhängig davon, dass hunderttausende Gläubige die Wiesen und Stadien bevölkern werden, um den Papst zu sehen und zu hören, sind doch die Erwartungen an dieses kirchliche Megaevent gering. Schon im Vorfeld des Papstbesuches gab es viele kritische und ablehnende Stimmen, beispielsweise gegen die direkten staatlichen Zuwendungen, gegen zusätzliche Feiertage in den Regionen, die der Papst besuchen wird und gegen Steuerermäßigungen für Unternehmen, die den Besuch finanziell unterstützen.

In Chile ist die Trennung von Staat und Kirche in der Verfassung festgeschrieben. Dieses Thema sorgte gerade für Diskussionen, als der Parlamentsvorsitzende die Abstimmung über ein Gesetz, das die sexuelle Selbstbestimmung garantieren soll, verschoben hat. "Aus Rücksicht auf den Papstbesuch", ließ er verlauten. Man wartet auch gespannt darauf, was der Papst zu Themen wie Abtreibung und Homosexualität sagen wird. Chile hat kürzlich erst die zivile, nichteheliche Verbindung aller Paare unabhängig ihrer Sexualität gesetzlich geregelt sowie die Abtreibung im Falle von Vergewaltigungen, Risikoschwangerschaft und Gefahren für die Gesundheit der Mutter unter Straffreiheit gestellt.

Ein weiteres brisantes Thema sind die Vergewaltigungen von Kindern durch Kirchenangehörige und deren jahrzehntelange Verhüllung durch die Kirchenoberen. Wegen rechtlicher Verjährung sind nicht wenige dieser Verbrechen von der weltlichen Justiz ungeahndet geblieben und die Täter tun "lediglich Buße" in einer abgelegen Kircheneinrichtung.

Ein weiteres Phänomen, das der katholischen Kirche zu schaffen macht, ist der wachsende Einfluß der verschiedenen, sehr reaktionären evangelikalen Kirchen, die schon während der Militärdiktatur von Pinochet hofiert wurden und nun offen Wahlkampf für Sebastián Piñera, den Kandidaten des rechten Parteienbündnisses und neu gewählten Präsidenten, gemacht haben. So bleibt also abzuwarten, ob Papst Franziskus in Bezug auf die Vergewaltigungen zu einem "mea culpa" bereit ist und was er zu den verschiedenen ethischen Themen sagen wird.