Mehr Rechte für die Armee: Sorge um Gesetz zur Inneren Sicherheit in Mexiko

Regierung von Präsident Enrique Peña Nieto will Militär stärker im Land einsetzen. Experten warnen vor einer drohenden Zunahme von Menschenrechtsverletzungen

mexiko_armee_militaer_innere_sicherheit.jpg

Soldaten in Mexiko: Die Armee wird zahlreicher Verletzungen der Menschenrechte bezichtigt
Soldaten in Mexiko: Die Armee wird zahlreicher Verletzungen der Menschenrechte bezichtigt

Stuttgart/Mexiko-Stadt. Ein halbes Jahr vor den Präsidentschaftswahlen im Juli 2018 plant die Regierung in Mexiko, den Einsatz des Militärs im Landesinneren gesetzlich zu legitimieren und auszuweiten. Das beklagte die deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko am gestrigen Tag der Menschenrechte. Die derzeit in Mexiko debattierte Regelung widerspreche sowohl dem Artikel 21 der mexikanischen Verfassung, in dem die Zuständigkeiten von Polizei und Armee geregelt sind. Sie widerspreche auch einer Reihe von Empfehlungen der Vereinten Nationen (UN) und des Interamerikanischen Menschenrechtssystems, heißt es in einer Erklärung der deutschen Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Stuttgart.

Schon am 30. November stimmte die Mehrheit der Abgeordnetenkammer des mexikanischen Kongresses für einen Gesetzesentwurf zur Inneren Sicherheit. Die Debatte wurde – begleitet von heftiger Kritik von Experten und Medien – im Senat in der vergangenen Woche weitergeführt. Durch das Gesetz soll der Einsatz des Militärs im Landesinneren gesetzlich verankert werden.

"Dies widerspricht den Empfehlungen der UN und des Interamerikanischen Menschenrechtssystems, einen Rückzugsplan für den Einsatz des Militärs zu entwerfen und es von der Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben im Inneren des Landes abzuziehen, merkt die Menschenrechtskoordination Mexiko an. Vielmehr sollten zivile Sicherheitskräfte für die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität ausgebildet sowie eine effiziente Strafverfolgung umgesetzt werden.

"Bereits heute agieren Marine und Armee in 26 Bundesstaaten: Der Einsatz führte zu einer Verschlechterung der Menschenrechtslage und Übergriffe blieben überwiegend straflos", heißt es in der Erklärung. Laut einer Studie des Instituts "Belisario Dominguez” des mexikanischen Senats vom Januar 2017 seien seit 2006 in sieben Bundesstaaten mit hohen Mordraten Militärs eingesetzt worden: In sechs dieser Bundesstaaten habe die Gewalt in der Folge deutlich zugenommen. "In zehn Jahren Einsatz, gab es weder eine öffentliche Evaluierung der Durchführung des Militäreinsatzes und der erzielten Resultate noch eine detaillierte Analyse der Polizeieinheiten des Landes", schreibt die Menschenrechtskoordination Mexiko. In den Bundesstaaten, in denen in den letzten Jahren Angehörige des Militärs als Minister für öffentliche Sicherheit eingesetzt wurden, befänden sich heute die 50 gewalttätigsten Landkreise bundesweit. In einem Drittel der 32 Bundesstaaten Mexikos sind Militärangehörige für die innere Sicherheit verantwortlich. Fünf dieser Bundesstaaten gelten mittlerweile als die unsichersten in Mexiko.

Wie das mexikanische Menschenrechtsnetzwerk Todos los derechos para todas y todos (Alle Rechte für Jede und Jeden) in seinem Bericht vom 5. September 2017 feststellt, sind besonders Menschenrechtsaktivisten von Bedrohungen, willkürlichen Verhaftungen und Verschwindenlassen betroffen. An diesen Straftaten sind staatliche Akteure in hohem Maße beteiligt. 2016 wurde Mexiko von der Organisation Reporter Ohne Grenzen als gefährlichstes Land für Medienschaffende außerhalb von Kriegsgebieten bewertet. Innerhalb des laufenden Jahres wurden bislang elf Medienschaffende in Mexiko ermordet. Bei den Fällen von getöteten Pressevertretern liegt die Straflosigkeit laut dem vorläufigen Bericht der Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit der UN und der Interamerikanischen Menschenrechtskommission vom 4. Dezember dieses Jahres bei fast 100 Prozent.