Kolumbien / Politik

Linker Politiker Petro vor Präsidentschaftswahl in Kolumbien unter führenden Kandidaten

Ex-Bürgermeister strebt Änderung des Wirtschaftsmodells an. Gegner des Friedensprozesses liegen hinter Befürwortern. Linke Koalition gebildet

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Die Rekommunalisierung der Versorgungsdienstleistungen, für die Petro als Bürgermeister gearbeitet hat, möchte er in ganz Kolumbien durchsetzen
Die Rekommunalisierung der Versorgungsdienstleistungen, für die Petro als Bürgermeister gearbeitet hat, möchte er in ganz Kolumbien durchsetzen

Bogotá. Der linke Kandidat der Partei Movimiento Progresistas (Bewegung der Progressiven) und Ex-Bürgermeister von Bogotá, Gustavo Petro, liegt nach jüngsten Umfragen für die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen im kommenden Mai mit in führender Position. Laut der Firma Cifras y Conceptos (Zahlen & Konzepte) übertrifft Petro mit 17 Prozent Zustimmung den Kandidat der traditionellen Eliten und Ex-Vizepräsidenten der Regierung Santos, Germán Vargas Lleras. Er steht in dieser Umfrage auf dem dritten Platz mit 14 Prozent. Die zweitgrößte Zustimmung von 15 Prozent hat der Ex-Bürgermeister von Medellín und moderate Neoliberale, Sergio Fajardo. 14 Prozent der Befragten haben sich für keinen Kandidaten ausgesprochen. Die restlichen 40 Prozentpunkte verteilen sich auf 14 weitere Kandidaten.

Nach einer anderem Umfrage der Sender Noticias Caracol, BLU Radio y und des Nachrichtenmagazins Semana erreicht Fajardo 18,7 Prozent, Petro 14,3 Prozent und Vargas Lleras zwölf Prozent.

Petro ist der einzige unter den führenden Kandidaten, der keine Unterstützung von Großunternehmern erhält. Der 57-Jährige tritt für den Ausstieg aus der Erdöl- und Steinkohlewirtschaft und die Förderung einer Agroindustrialisierung der Kleinbauern in Kooperationsform ein. Die Rekommunalisierung der Versorgungsdienstleistungen, für die er als Bürgermeister gearbeitet hat, möchte er landesweit einsetzen. Die Landumverteilung, die Gebührenabschaffung bei öffentlichen Bildungseinrichtungen, die Rückkehr des Renten- und Gesundheitssystems in öffentliche Hände und die Produktion von Solarenergie durch vernetzte Bürger sind ebenso Punkte seines Wahlprogramms.

Auf dem vierten Platz steht in der Umfrage von Cifras y Conceptos der Ex-Leiter der Friedensdelegation der Regierung bei den Verhandlungen mit der Farc, Humberto de La Calle. Er vertritt die Liberale Partei und zehn Prozent der Befragten haben sich für ihn ausgesprochen. Rodrigo Londoño, den Kandidaten der demobilisierten Farc-Guerilla, heute Fuerza Alternativa Revolucionaria del Común (Alternative Revolutionäre Kraft des Volkes, Farc), möchte ein Prozent der Befragten wählen.

Anhand ihrer politischen Parolen lassen sich die meisten Präsidentschaftsaspiranten hauptsächlich in zwei Strömungen aufteilen. Auf der einen Seite stehen die Befürworter des Friedens mit den Guerillaorganisationen, auch wenn ihre genaueren Vorstellungen davon sehr unterschiedlich sind. Übereinstimmend in dieser Gruppe von Kandidaten ist auch das Thema der Korruptionsbekämpfung.

Auf der anderen Seite sind die Kandidaten der Parteien, die sich im Kongress gegen die Umsetzung des unterzeichneten Friedensvertrags gestellt haben, nämlich der ultrarechten Partei des Ex-Präsidenten Álvaro Uribe Centro Democrático (Demokratisches Zentrum, CD), der Konservativen Partei und der Partei Cambio Radical (Radikale Veränderung, CR), die Vargas Lleras gegründet hat. Auch der fundamentalistische Katholik und Ex-Staatsanwalt für Verwaltungsrecht, Alejandro Ordóñez, sowie der Ex-Verteidigungsminister Carlos Pinzón gehören zu dieser Strömung. Mit Ausnahme von Vargas liegen ihre Vertreter in der Umfrage hinter den Befürwortern des Friedens.

Innerhalb dieser beiden politischen Strömungen bilden sich in diesen Tagen Koalitionen auch im Hinblick auf die Kongresswahlen im März. So hat unlängst der erste linke Zusammenschluss von sechs Parteien und Bürgerbewegungen die gemeinsame "Wahlliste der Anständigkeit" für das Repräsentantenhaus und den Senat angekündigt. Petro trägt dieses Projekt ebenso mit wie die parteilose Ex-Vorsitzende des Polo Democrático, Clara López, die in der Umfrage mit fünf Prozent Zustimmung auf dem sechsten Platz liegt. Zu dem Zusammenschluss gehören auch die Unión Patriótica (Patriotische Union, UP), die in den Achtzigern und Neunzigern den systematischen Mord von circa 5.000 ihrer Mitglieder erleiden musste. Mit dabei sind ebenso drei kleine Parteien und Gruppierungen nämlich die indigene Mais, die Asi und die Fuerza Ciudadana (Bürgerliche Kraft). Ob sie auch für die Präsidentschaft koalieren ist noch offen.

Große Aufmerksamkeit in den Leitmedien erweckt das Koalitionsprojekt des Mitte-Kandidaten Fajardo, der grünen Clara López, die sieben Prozent der Befragten wählen würden, und des linken Kandidaten der Polo Democrático, Jorge Robledo, den drei Prozent der Umfrageteilnehmer als Präsident sehen wollen. Alle drei wollen die Umsetzung des Friedensvertrags, führen eine Kampagne gegen die Korruption und werfen Vargas Lleras vor, ein Teil davon zu sein. Petro kritisierte jedoch, dass sie nicht für strukturelle Reformen bereit sind, die die Wirtschaftsinteressen der Erdöl- und Bergbauindustrie sowie der inländischen Großunternehmer stören. Angesichts eines möglichen Siegs der Gegner des Friedensvertrags, lud er sie trotzdem ein, eine große Koalition zu schließen, bekam aber keine Antwort.