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Herausforderungen für kostenlose Gesundheitsversorgung in Ecuador

Weniger Fälle nicht-ansteckender Krankheiten. In Verfassung festgeschriebene freie Versorgung im ganzen Land verbreitet. Privatsektor aber weiter nötig

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Die Gesundheitsministerin von Ecuador, Verónica Espinosa (links im Bild), beim Besuch des staatlichen Gesundheitszentrums San Sebastián del Coca
Die Gesundheitsministerin von Ecuador, Verónica Espinosa (links im Bild), beim Besuch des staatlichen Gesundheitszentrums San Sebastián del Coca

Montevideo/Quito. Ecuadors Gesundheitsministerin Verónica Espinosa hat unlängst bei einer Konferenz der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Montevideo eine positive Bilanz des seit Beginn der "Bürgerrevolution" aufgebauten Gesundheitssystems gezogen. In der ecuadorianischen Verfassung von 2008 ist der Zugang zu einer kostenlosen Gesundheitsversorgung festgeschrieben. Während der zehn Jahre der Präsidentschaft von Rafael Correa (2007‒2017) habe das Land große Fortschritte gemacht, um eine durch den Staat finanzierte und flächendeckende Versorgung der Bevölkerung zu realisieren und zu garantieren. Espinosa, die seit Januar 2017 im Amt ist, zeigte sich sehr zufrieden mit dem Erreichten, insbesondere mit der Reduzierung nicht-ansteckender Krankheiten. Jedoch sei in den vergangenen Jahren erkannt worden, dass ein Zusammenwirken von staatlicher und privat finanzierter Versorgung immer wichtiger werde.

Ecuador habe eine "wahrhaftige Revolution" im Gesundheitssektor vollbracht. "Wir müssen den Weg weitergehen, um erfolgreich zu sein." Bei der WHO-Konferenz wurde als Ziel benannt, bis zum Jahr 2030 die Zahl der nicht-ansteckenden Krankheiten wie Krebs, Diabetes oder Asthma um ein Drittel zu reduzieren. Ecuador habe dabei in den vergangenen Jahren schon erhebliche Fortschritte gemacht, so die Ministerin. Das Ziel für 2030 sei zwar ambitioniert, könne aber mit einem konzentrierten Vorgehen der Politik erreicht werden. Dies sei jedoch kein einfaches Unterfangen und bedürfe einiger zusätzlicher Investitionen, auch von Seiten der Privatwirtschaft.

Damit spielt Espinosa auch auf das Zusammenspiel der über das Gesundheitsministerium und die Sozialversicherung (IESS) abgedeckten staatlich finanzierten Versorgung und den immer wichtiger werdenden privaten Sektor an. Was vor allem der Staat leisten müsse, sei eine entsprechende Vorsorge und Informations- sowie Aufklärungs- und Bildungspolitik. In Ecuador gibt es beispielsweise seit vier Jahren als erstem Land in Lateinamerika eine sogenannte Ampel auf Lebensmittelverpackungen. Damit sollen die Bürger über gesundheitsgefährdende Inhalte informiert werden. Auch durch Anti-Rauch-Kampagnen, die vom Staat finanziert wurden, konnten erhebliche Fortschritte in diesem Bereich erzielt werden.

In Ecuador können alle Menschen ohne Identifikation und unabhängig von ihrer Nationalität ein staatliches Krankenhaus zur Behandlung aufsuchen. Laut Espinosa steht diese Versorgung mittlerweile theoretisch allen im Land lebenden Menschen zur Verfügung. Jedoch ließen es Geographie und teilweise die Sprache nicht zu, diese Versorgung auch in der Realität zu erreichen.

Bereits während der letzten Jahre der Correa-Regierung zeichnete sich ab, dass der Staat für eine qualitativ hochwertige Versorgung immer mehr auf den Privatsektor und dessen Kapital angewiesen ist. Auch der starke Rückgang der Einnahmen aus dem Erdölsektor führte dazu, dass immer mehr privates Kapital generiert werden musste. Zunächst wurde es in einer als Übergangsphase gedachten Zeit benötigt, mittlerweile wurde daraus aber ein längerfristiger Bedarf. Zwar sind die Einzahlungen in die Sozialversicherung eher ansteigend, dennoch reichen die Ressourcen nicht aus, eine durchgehende hohe Qualität einzig über die staatliche Versorgung zu gewährleisten.

Eine Grundversorgung durch den Staat ist mittlerweile flächendeckender gegeben als noch vor einem Jahrzehnt, jedoch sorgen viele Ecuadorianer zusätzlich privat vor. Wer es sich leisten kann, legt für entsprechende Behandlungen Geld zur Seite oder zahlt in eine private Krankenversicherung ein und lässt sich dann bei Bedarf in den immer zahlreicher werdenden privaten Ärzte- und Krankenhäusern behandeln. Auch führen Leistungsengpässe und oftmals sehr lange Wartezeiten dazu, dass viele Bürger sich nicht nur auf die staatliche Versorgung verlassen wollen.

Präsident Lenín Moreno hat in seinem Regierungsplan "Toda la vida" (Ein ganzes Leben) eine weitere Überarbeitung und Verbesserung des Gesundheitssystems angekündigt. Ziel sei es, die "zentralistische Logik" des öffentlichen Gesundheitssystems zu verändern und auch entlegene Gebiete besser zu versorgen. Der im August vorgestellte Plan beinhaltet auch, eine größere Zahl an sogenannten Medicos del Barrio (Gemeindeärzte) einzustellen.