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Erneuter Aufruf zu Protesten gegen Rentensystem in Chile

Santiago de Chile. In Chile haben unlängst erneut tausende Menschen gegen das bestehende Rentensystem demonstriert. Anlass dafür war das einjährige Jubiläum der ersten Großdemonstration der Bewegung "No+AfP" (Kein AfP mehr), die sich gegen private Rentenfonds wandte.

Am 24. Juli 2016 hatte der Aufruf der Koordination der Bewegung zu landesweiten Protesten erstmals über eine Millionen Menschen in mehr als 40 verschiedenen Städten auf die Straßen gebracht. Im Mittelpunkt steht dabei die Forderung nach der grundlegenden Reformierung des 1980 während der Diktatur unter Augusto Pinochet (1973-1990) eingeführten privaten Rentensystems sowie die Schaffung eines staatlichen "echten" Sozialversicherungssystems.

Der steigende Druck der anhaltenden Proteste führte dazu, dass Präsidentin Michelle Bachelet schon bald auf die Forderungen einging und versprach, die Schaffung eines staatlichen Rentenfonds voranzutreiben. Ein neuer Gesetzentwurf sollte bis spätestens Ende Juli 2017 im Kongress vorliegen, was allerdings noch nicht geschehen ist.

Die Koordination der Bewegung "No+ AfP” zieht trotzdem eine positive Bilanz für das letzte Jahr. Das Thema steht mittlerweile ganz oben auf der Agenda von Bachelets Regierung. Zudem wurde eine Rentenbeitragserhöhung von fünf Prozent eingeführt, die ausschließlich vom Arbeitgeber übernommen und von einer unabhängigen staatlichen Instanz verwaltet werden soll. Der Sprecher der Kampagne, Luis Messina, weist allerdings darauf hin, dass diese "kosmetischen Lösungen" noch weit vom ihrem Ziel entfernt sind. Daher fordert er alle Chilenen dazu auf, vorerst vom Rentensystem A auf das Rentensystem E zu wechseln, um somit einerseits die eingezahlten Rentenbeiträge zu schützen und gleichzeitig einen Kollaps des Rentensystems zu provozieren.

Die chilenischen Rentenfonds unterscheiden sich nach ihrem Risiko. Während Typ A größere Erträge verspricht, da bis zu 80 Prozent des investierten Fonds aktiengebunden sind, stellt Typ E bisher das sicherste Rentensystem dar, bei dem nur maximal fünf Prozent aktienbezogen sein dürfen und der Rest einem festen Zinssatz unterliegt. Der chilenische Finanzminister, Rodrigo Valdez, verurteilt diesen Aufruf als unverantwortlich und eine "Bestrafung” der Renten vieler Chilenen. Außerdem befürchtet er ein "totales Chaos”, wenn diese massiv den Fonds wechseln würden.

Derzeit sind alle abhängig Beschäftigten verpflichtet, zehn Prozent ihres Lohnes an privat verwaltete Fonds (AfPs) einzuzahlen, was zur Folge hat, dass 90,75 Prozent der chilenischen Rentner unter 200 Euro bekommen. Deshalb war der Skandal besonders groß, als vor wenigen Tagen bekannt wurde, dass Pensionierte des chilenischen Militärs, der Polizei und des ehemaligen Geheimdienstes Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht haben, um höhere Renten zu kassieren. Sie haben zusätzlich zur staatlichen Rente, die nur diesen Institutionen zusteht, jahrelang Invalidenrenten von umgerechnet bis zu 8.000 Euro monatlich erhalten, obwohl sie vollkommen gesund waren.

Auf den Kundgebungen am Montag wurde bekannt gegeben, dass Anfang Oktober ein unverbindlicher Volksentscheid stattfinden soll, um herauszufinden, wie sich die chilenische Bevölkerung ein neues Sozialversicherungssystem vorstellt. Für den 23. August wird außerdem zu einer neuen landesweiten Massenmobilisierung aufgerufen.

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