Farc-Mitglieder weiterhin in schwieriger humanitärer Lage

Nur zehn Prozent der Einrichtungen in den Übergangslagern fertig gestellt. Basisversorgung nicht gesichert. Regierung verzögert Freilassung von Gefangenen

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In den Übergangslagern fehlt es an allem: sogar an Trinkwasser, Lebensmitteln und grundlegender Gesundheitsversorgung
In den Übergangslagern fehlt es an allem: sogar an Trinkwasser, Lebensmitteln und grundlegender Gesundheitsversorgung

Bogotá. Einen Monat nach dem Beginn ihrer Demobilisierung hat sich die Situation der rund 6.900 Mitglieder der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) in den Übergangslagern kaum verbessert. Auch für die Farc-Gefangenen hat es weder Verbesserungen der Haftbedingungen noch die zugesagten Entlassungen gegeben.

Nach Regierungsangaben sind in den 20 "Zonas veredales transitorias de normalización" (ZVTN) insgesamt nur zehn Prozent der Einrichtungen fertig gestellt. Alberto Castilla, Senator der linken Partei Polo Democrático, sagte gegenüber amerika21: "Nach über einem Monat ist die Lage in den Lagern trotz Beschwerden auch seitens der Mission der Vereinten Nationen und internationaler Menschenrechtsorganisationen nicht wesentlich verbessert worden. Es fehlt an allem, sogar an Trinkwasser, Lebensmitteln und grundlegender Gesundheitsversorgung. Die Männer und Frauen schlafen in improvisierten Zelten." Die Partei führt regelmäßig Besuche in den ZVTN, um Kontakt zu den demobilisierten Guerillakämpfern aufzunehmen und die Umsetzung des Friedensabkommens zu überwachen. "Die Regierung erfüllt ganz offensichtlich ihre Aufgaben nicht," so Castilla.

Ein Guerillero im Übergangslager im Department Buenos Aires, Cauca, bestätigte dies im Gespräch mit amerika21 und fügte hinzu: "Der Krieg ist noch nicht vorbei, solange wir nicht mindestens unter menschenwürdigen Bedingungen leben können." Auch dort fehlt es bisher an der Basisversorgung. Vor allem schwangere Frauen und Neugeborene seien einem hohen Risiko ausgesetzt, da Hygienestandards nicht erfüllt seien und es an Medikamenten mangele.

In den vergangenen Wochen gab es seitens der Zivilbevölkerung immer wieder Zeichen der Solidarität: Anwohner sammeln rund um die ZVTN in der Guajira, einer der Zonen mit der schlimmsten humanitären Lage, Sachspenden und vor allem Lebensmittel für die Guerilla.

Trotz der im Friedensabkommen zwischen Farc und Regierung vereinbarten Amnestie und Begnadigungen, die zur sofortigen Freilassung vieler der fast 4.000 Farc-Mitglieder hätten führen sollten, sind bisher nur einige wenige Gefangene entlassen worden.

Aus dem Hochsicherheitsgefängnis in Jamundí, Valle de Cauca, erklärte eine Farc-Gefangene gegenüber amerika21: "Wir fühlen uns von der Regierung betrogen. Und das ist nicht das erste Mal in der Geschichte Kolumbiens. Wir fordern deswegen die Regierung von Juan Manuel Santos dringend dazu auf, ihre Pflichten zu erfüllen." Sie sagte weiter, dass es dabei nicht um einen Gefallen gehe, sondern um die Umsetzung des vor internationalen Beobachtern und Gerichten sowie den Vereinten Nationen angenommenen Friedensvertrages. Aus ähnlichen Motiven schrieb eine verurteilte Farc-Kämpferin aus dem Gefängnis in Cordoba einen offenen Brief, in dem sie darauf hinweist, dass die verabredeten Maßnahmen seitens der Regierung nicht eingehalten werden.

Im Gefängnis in Popayan, Cauca, sind Ende Februar 97 Farc-Gefangene in einen unbefristeten Hungerstreik getreten, um der Forderung nach einer Antwort auf ihre Amnestiegesuche Nachdruck zu verleihen. Zudem wollen sie durch zügige Entlassungen der Kranken weitere Tote verhindern. Erst am 17. Februar war dort ein Farc-Mitglied wegen fehlender medizinischer Versorgung gestorben.

Zur Reintegration der demobilisierten Guerilla-Mitglieder sei wesentlich mehr nötig, als nur die Übergangslager zu schaffen, hatten Farc-Gefangene in einem Gespräch mit der Wochenzeitung Semana bereits im vergangenen Dezember gemahnt. Es fehle an Bildungsprogrammen, Berufsausbildungen und einer politischen Integration der Kämpfer. Viele seien als junge Menschen zur Guerilla gegangen und bräuchten nun Unterstützung, um einen neuen Platz in der Gesellschaft zu finden. Wenn die Regierung nicht einmal die Grundlagen umzusetzen vermöge, frage sich, wie solche Programme in Zukunft gestaltet werden können.

Die öffentliche Universität in Popayan Unicauca hat diese Woche bekannt gegeben, eine als Studiengang offiziell anerkannte Spezialisierung "Menschenrechte und Übergangsjustiz" für die Farc-Mitglieder auszurichten, um ihnen eine Chance zur Reintegration in das Zivillebenzu bieten. Der erste Gruppe werden 60 Studenten aus den Reihen der Farc angehören, sie wird in der ZVTN in Tumaco durchgeführt, einer stets vom Konflikt betroffenen Region am Pazifik. Dort befinden sich derzeit 300 Guerilleros.

Die kubanische Regierung erklärte sich indes diese Woche bereit, 1.000 Stipendien für ein Medizinstudium in Havanna an Kolumbianerinnen und Kolumbianer zu vergeben, davon 500 an Farc-Angehörige.

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