Kritische Aktionäre: Thyssenkrupp verletzt Menschenrechte in Brasilien und Mosambik

Der Konzern ignoriere Missstände und Menschenrechtsverletzungen in eigenem Werk und bei Zulieferern. Kritik an Waffenverkäufen

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Eingang des Thyssenkrupp-Hauptquartiers in Essen. Kritik an Politik in Brasilien
Eingang des Thyssenkrupp-Hauptquartiers in Essen. Kritik an Politik in Brasilien

Bochum. Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre (DKA) hat der Thyssenkrupp AG verantwortungslose Unternehmensführung und das Ignorieren von "seit Jahren angeprangerten Missständen" bei seinen Aktivitäten in Brasilien und Mosambik vorgeworfen. Auch Waffenverkäufe in politisch instabile Länder waren Gegenstand der Kritik des Verbandes, der rund zwei Dutzend Menschenrechtsorganisationen und rund 1.200 Aktionäre vertritt.

Mitglieder des DKA konfrontierten den Thyssenkrupp-Vorstand auf der Jahreshauptversammlung vergangene Woche damit, massive negative Folgen für die Anwohner des Stahlwerks bei Rio de Janeiro zugunsten seiner Investition über Jahre ignoriert zu haben. Zudem missachte der Konzern die "Sorgfaltspflichten in der eigenen Zulieferkette" von Kokskohle und ignoriere damit Menschenrechtsverletzungen in Mosambik.

Ferner kritisierte Markus Dufner, Geschäftsführer des DKA, dass der Aufsichtsrat es versäumt habe, den Vorstand davon abzuhalten, weiterhin Rüstungsgüter in politisch instabile Länder zu exportieren. "Vor allem die anstehende Auslieferung von Fregatten an Algerien sowie U-Boot-Geschäfte mit Krisenländern wie der Türkei, Ägypten und Israel erregten Kritik", heißt es im Antrag des DKA, der – allerdings erfolglos – forderte, dem Vorstand die Entlastung zu versagen.

Die Kritik am Verhalten des Stahl- und Rüstungskonzerns ist nicht neu. Seit Jahren kämpfen in Brasilien betroffene Anwohner sowie Fischer für Entschädigungen wegen Gesundheitsgefährdung beziehungsweise Einkommenseinbußen, die durch das Thyssenkrupp-Stahlwerk bei Rio de Janeiro verursacht werden. Die brasilianische Staatsanwaltschaft hat mehrfach festgestellt, dass es seit Betriebsbeginn des Werkes zu Luftverschmutzungen in einem Ausmaß gekommen sei, "das die menschliche Gesundheit bedroht".

Erst Ende Dezember 2016 erhob die Staatsanwaltschaft des Bundesstaates Rio de Janeiro eine weitere Klage gegen das dortige Thyssenkrupp-Stahlwerk. Darin warf sie dem Konzern vor, der mittlerweile wegen Korruption in Haft sitzende Ex-Gouverneur Sérgio Cabral habe im Jahr 2010 dem Werk widerrechtlich eine Sondergenehmigung zur Inbetruebnahme des zweiten Hochofens erteilt. Die CO2-Emissionen seien seitdem im gesamten Stadtgebiet von Rio de Janeiro um 72 Prozent angestiegen. Thyssenkrupp versuche sich durch den Verkauf des ursprünglich 5,9 Milliarden Euro teuren Komplexes der Verantwortung zu entledigen, so Markus Dufner, Geschäftsführer des DKA.

"Diese neue Klage von Dezember 2016 gesellt sich zu den anderen, bereits laufenden Klagen wegen Umweltverschmutzung sowie zu den 238 Entschädigungsklagen der Anwohner aufgrund des gesundheitsgefährdenden Stahlwerkstaubs und der 5.763 Fischer, deren Fischfang zu 80 Prozent zurückgegangen ist, seit das Stahlwerk vor Ort ist", urteilte Christian Russau von der Kooperation Brasilien und DKA in seiner Rede vor der Aktionärsversammlung.

In Mosambik "macht sich Thyssenkrupp mitschuldig an den Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen seiner Lieferanten", sagt Anna Backmann von der Christlichen Initiative Romero. Für die mosambikanische Kokskohle der Rohstoffkonzerne Vale aus Brasilien und des britisch-australischen Unternehmens Rio Tinto wurden tausende Menschen in Gebiete umgesiedelt, die keinen Zugang zu sauberem Wasser oder Möglichkeiten des Broterwerbs böten. Zudem "wurden sie nicht ausreichend entschädigt", heißt es im Antrag des DKA vom 6. Januar 2017.

Dem Dachverband der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, dem die Christliche Initiative Romero, das Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika, die Kooperation Brasilien, Stop Mad Mining und Urgewald angehören, beantragte auf der Aktionärstagung die Entlastung des Vorstands zu verweigern. Dies lehnte die Mehrheit der Aktionäre jedoch ab.

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