Appell im Bundestag für den Frieden in Kolumbien

Konferenz mit Teilnehmern aus Kolumbien und Deutschland. Farc-Vertreter per Video aus Bogotá zugeschaltet. Kritik an Agieren der Staatsanwaltschaft

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Maria Lorena Gutierrez Botero, Heike Hänsel, Tom Koenigs, Enrique Santiago, Danilo Rueda (v.l.n.r.)
Maria Lorena Gutierrez Botero, Heike Hänsel, Tom Koenigs, Enrique Santiago, Danilo Rueda (v.l.n.r.)

Berlin. Aktivisten, ehemalige Rebellen sowie staatliche Vertreter aus Kolumbien und Deutschland haben sich für mehr internationale Unterstützung bei der Umsetzung des Friedensabkommens in Kolumbien ausgesprochen. Wichtig sei vor allem eine zügige Umsetzung der Vereinbarungen, hieß es bei der Konferenz in den Räumen des Bundestags. An der Tagung, die von der Linksfraktion organisiert wurde, nahmen unter anderem der Sonderbeauftragter der Bundesregierung für den Friedensprozess in Kolumbien, Tom Koenigs, die Botschafterin von Kolumbien in Deutschland, Maria Lorena Gutierrez Botero, und Daniel Kriener, Leiter des Referats für bilaterale und EU-Beziehungen zu den Anden-Staaten im Auswärtigen Amt, teil. Zugeschaltet waren auch Vertreter der Rebellenorganisation Farc aus Kolumbien.

Kriener stellte die bisherigen Hilfszusagen der Bundesregierung vor. Berlin habe schon jetzt bilaterale Zusagen gemacht und beteilige sich an entsprechenden EU-Fonds. Der Bundesregierung, so Kriener, gehe es vor allem um Rechtsstaatsförderung und humanitäre Hilfe. "Die Unterstützung des Friedens in Kolumbien ist spätestens seit dem Jahr 2007 ein Kernanliegen bei unserer Entwicklungszusammenarbeit", sagte der Außenamtsvertreter. Aus dem Mittel des Auswärtigen Amtes würden vor allem Maßnahmen der Krisenprävention finanziert.

Zuversichtlich zeigte sich Tom Koenigs, der im Bundestag der Grünen-Fraktion angehört. "In Kolumbien hat sich gezeigt, dass ein verhandelter Frieden möglich ist, dort schallt es auf den Straßen: ‚¡Sí se puede!’", sagte er gegenüber amerika21. Auch für Deutschland gebe es im Friedensvertrag einen interessanten Punkt, denn bei der Übergangsjustiz stehen das Zeugnis und die Übernahme der Verantwortung durch die Täter am Anfang. "Bei keinem der Nazi-Täter in Deutschland hat es das gegeben", so Koenigs, der die Gründung einer Partei der Farc begrüßte.

Die Vizevorsitzende der Linksfraktion, Heike Hänsel, betonte die Verantwortung deutscher Akteure für die hiesige Wirtschafts- und Handelspolitik gegenüber Kolumbien. So gehöre der Baden-Württembergische Energieversorger EnBW zu den größten Importeuren kolumbianischer Steinkohle aus dem Bergberg El Cerrejón. "Das ist ein Punkt, das wir weiterhin genau beobachten werden", so Hänsel. Weil es im Zusammenhang mit solchen Konzernprojekten immer wieder auch zu Menschenrechtsverletzungen kommt, "müssen wir hier in Deutschland eben auch die Debatte über ein Unternehmensstrafrecht führen".

Enrique Santiago Romero, Anwalt der Delegation der Farc bei den nun abgeschlossenen Friedensgesprächen in Havanna, betonte den Gedanken der Versöhnung im Friedensabkommen, das wegen des Widerstandes rechter Akteure in Kolumbien überarbeitet und zum zweiten Mal unterschrieben werden musste. "Es geht ja nicht nur um die Gerechtigkeit für begangene Delikte, sondern es gibt auch ein Recht auf Wahrheit, auf Wiedergutmachung und auf die Garantie, dass sich der Konflikt nicht wiederholt", so der spanische Jurist, der die Rebellen im den Verhandlungen beraten hat. Vorrangiges Ziel müsse sein, den Farc-Mitgliedern einen Wiedereinstieg in das zivile Leben zu ermöglichen. Heftige Kritik übte Santiago an der Staatsanwaltschaft in Kolumbien: "Sie ist ihren Verpflichtungen bisher kaum nachgekommen". So seien Haftbefehle für Farc-Mitglieder noch nicht aufgehoben worden, obwohl das eine Voraussetzung für die Demobilisierung war. Die Generalstaatsanwaltschaft versuche so offenbar, die ihr unliebsame Sonderjustizbarkeit für das Friedensabkommen zu sabotieren, sagte Santiago.

In einer Videoübertragung aus der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá wandten sich die Farc-Kommandanten Victoria Sandino und Iván Márquez an die rund 140 Gäste der Veranstaltung. "Ich kann Ihnen mitteilen, dass die Guerilleros sich aus allen Teilen des Landes zu den vereinbarten Sammelstellen begeben, um ihre Waffen abzugeben", sagte Márquez. Seine Organisation halte an dem Zeitplan fest, auch wenn die Regierung bisher noch nicht für die notwendige Infrastruktur an den Sammelpunkten gesorgt habe. Die Farc sehen zudem mit Sorge, "dass seit Unterzeichnung des Friedensvertrages rund 50 soziale Aktivisten ermordet wurden". Eine kritische Begleitung der internationalen Gemeinschaft – neben der UNO auch von der EU und Deutschland – sei daher nötig. Sandino bekräftigte, dass die Farc im Verhandlungsprozess engen Kontakt zu sozialen Organisationen gehalten habe, um deren Positionen in den Friedensvertrag einfließen zu lassen.

Die andauernde Gewalt gegen soziale Organisationen und Minderheiten betonte auch Danilo Rueda von der kirchlichen Kommission für Gerechtigkeit und Frieden. Der Friedensvertrag gebe ausdrücklich vor, dass der Staat über neu einzurichtende Gremien gegen paramilitärische Organisationen vorgehen muss, so Rueda. Er forderte die Teilnehmenden auf, "den Vertrag in Gänze zu lesen". Der Widerstand in Kolumbien gegen das Abkommen erkläre sich zum großen Teil aus der Unkenntnis des Textes.

Die Botschafterin Kolumbiens, Maria Lorena Gutierrez Botero, zeigte sich am Ende der Debatte zuversichtlich. Es sei ein großer Fortschritt, "dass wir heute so offen miteinander reden können", sagte sie auch mit Blick auf die Videokonferenz mit Farc-Mitgliedern im Bundestag. Wichtig sei ihr, die Perspektive der bis zu acht Millionen Betroffenen des Konfliktes immer im Auge zu behalten.

Unter Mitarbeit von Harald Neuber.

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