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Außenbehörde der Europäischen Union kritisiert Wahl in Nicaragua

EU als Organisation nicht eingeladen. Der Europäische Auswärtige Dienst ignoriert Anwesenheit von hundert hochrangigen Wahlbegleitern aus Lateinamerika

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Vor einem Wahllokal in Managua am 6. November
Vor einem Wahllokal in Managua am 6. November

Brüssel/Managua. Während des Besuchs von OAS-Generalsektretär Luis Almagro in Nicaragua am 1. und 2. Dezember soll ein Sprecher des Europäischen Auslandsdienstes (EAD) erklärt haben, die Europäische Union bedauere "das Fehlen einer akkreditierten nationalen und internationalen Beobachtung". Zudem seien beim Wahlprozess "die Voraussetzungen für eine freie Beteiligung aller politischen Kräfte des Landes nicht gegeben" gewesen. Dies meldeten mehrere Zeitungen in Nicaragua. Auch die Deutsche Welle hat sich dieser Version angeschlossen, die ein weltweites Medienecho fand.

Bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am 6. November hatte sich wie erwartet die Sandinistische Nationale Befreiungsfront (FSLN) deutlich durchgesetzt. Daniel Ortega wurde mit 72,5 Prozent der Stimmen wieder zum Präsidenten gewählt, die FSLN bekam etwa Zweidrittel der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei 68,2 Prozent.

Der EAD hat offenbar während der mehrmonatigen Vorbereitungen der Wahlen und am Wahltag selbst keinen Kontakt mit den über 100 internationalen lateinamerikanischen Wahlbegleitern aufgenommen, um sich direkt über ihre Arbeit, Beobachtungen und Schlussfolgerungen zu informieren. Auch die gemeinsame Erklärung der Beobachtermission hat der EAD nicht zur Kenntnis genommen.

Die internationale Gruppe setzte sich aus individuell eingeladenen Wahlbegleitern aus der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), der Union südamerikanischer Nationen (Unasur), des lateinamerikanischen Rates der Wahlexperten (Ceela) sowie aus fünf früheren Präsidenten, aus Ministern, Richtern, Senatoren und Abgeordneten aus ganz Lateinamerika zusammen, die sich am Wahltag in allen Bezirken des Landes aufhielten. Des weiteren waren am Stichtag 5.000 Studenten Nicaraguas über alle Wahlokale als Beobachter verteilt.

Nach den Normen der Vereinten Nationen (UN) von 2005 über Wahlbeobachtungen müssen Wahlbeobachter oder Wahlbegleiter von der jeweiligen Regierung eingeladen werden. Die über 100 von der Regierung Nicaraguas hinzugezogenen internationalen Wahlbegleiter waren alle akkreditiert.

Laut den Ausführungen des Vizepräsidenten des Wahlgerichtes von Uruguay, Dr. Wilfredo Penco, der in einem Interview die Einzelheiten der Beobachtermission darstellte, konnte es aufgrund des Wahlsystems keine Datenfälschungen der Ergebnisse geben. Ebenso schloss er gefälschte Angaben über die Wahlbeteiligung aus, wie von der Opposition behauptet. Er selbst hat als Mitglied der Lateinamerikanischen Wahlexpertenkommission beratend zur Verbesserung des Wahlsystems in Nicaragua beigetragen.

Hinsichtlich der vom EAD kritisierten fehlenden "freien Beteiligung aller politischen Kräfte des Landes an den Wahlen" hätte eine Analyse weitergeholfen. Die juristischen Konsequenzen aus den langjährigen internen Kämpfen der Oppositionsparteien sind nicht der Regierung anzulasten. Sie waren bislang nicht in der Lage, ihre Kontroversen außergerichtlich beizulegen und forderten immer neue Prozesse. Die jeweiligen Verlierer prangerten das Urteil dann als undemokratische Machenschaften der Regierung an, was ein breites Echo in den internationalen Medien mit dem Tenor gefunden hat, die Regierung habe die Opposition ausgeschaltet.

Die Vertretung der Europäischen Union in Nicaragua hatte zudem kritisiert, nicht als Organisation von Nicaraguas Regierung zur Wahlbeobachtung eingeladen worden zu sein. Dies wurde dann von der EU und in den internationalen Medien als "Abwesenheit von internationalen Beobachtern" verallgemeinert. Deshalb seien die Wahlen in Nicaragua nicht demokratisch gewesen.

Nach den UN-Bestimmungen gehört es zum Recht jedes souveränen Staates, die Form der Wahlbeobachtung selbst zu bestimmen. Die USA hatten bislang lediglich Einzelpersonen eingeladen, bei den vergangenen Wahlen war zum ersten Mal die OAS anwesend. In europäischen Staaten gibt es traditionell keine ausländischen Wahlbeobachterorganisationen.

Das Vorgehen des EAD und seine Äußerungen über die Wahlen in Nicaragua stellt nach Ansicht lateinamerikanischer Akteure die Objektivität einer europäischen Wahlbeobachtung in Frage und bestätigt ihre Skepsis, dass in diesem Bereich geopolitisch motivierte Interessen Europas überwiegen und für entsprechende Medienkampagnen benutzt werden. Es sei zu fragen, ob nach Meinung des EAD die Staaten Lateinamerikas nicht genug demokratische Legitimation besitzen, um ihre eigenen Wahlen ohne Intervention der EU durchzuführen und zu kontrollieren und ob jemals lateinamerikanische Wahlbeobachter zu europäischen Wahlen eingeladen wurden.

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