Brasilien / Politik

Evangelikaler wird neuer Bürgermeister von Rio de Janeiro

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Der evangelikale Bischof und Ex-Senator Marcelo Crivella nach seinem Wahlsieg in Brasiliens Metropole Rio de Janeiro
Der evangelikale Bischof und Ex-Senator Marcelo Crivella nach seinem Wahlsieg in Brasiliens Metropole Rio de Janeiro

Rio de Janeiro. Bei der Stichwahl für das Bürgermeisteramt von Rio de Janeiro hat Marcelo Crivella von der rechtskonservativen Republikanischen Brasilianischen Partei (PRB) mit 1,7 Millionen Wählerstimmen und 59,36 Prozent gewonnen und wird somit Bürgermeister der 6,3-Millionen-Metropole. Während rund eine Million Bürger für den zweitplatzierten Marcelo Freixo von der Partei "Sozialismus und Freiheit" (PSOL) stimmten, entschieden sich zwei Millionen Wähler für ungültige, leere oder generell gegen die Abgabe eines Stimmzettel – trotz Wahlpflicht im Land und trotz Strafen für deren Nichtbefolgung. Crivella war seit 2002 Senator für den Bundesstaat Rio de Janeiro.

Der evangelikale Bischof ist von seiner Ausbildung her Ingenieur und war als Bauleiter der Kirchen seines Onkels Edir Macedo, Gründer der "Universalkirche des Königreichs Gottes" (Igreja Universal do Reino de Deus) und dadurch Multimillionär, tätig. In dieser Zeit attackierte er Obdachlose, die eine Baustelle seiner Kirche besetzt hatten. Dies brachte ihm eine Anzeige ein, doch verurteilt wurde er nicht. Bekannt wurde er vor allem durch seine Predigten, die bei TV Record ins ganze Land übertragen werden. Der Fernsehsender gehört seinem Onkel und zählt den größten des Landes. Crivella wettert dort seit Jahren gegen "Unmoral und Unchristen". Aber "der Heilige Geist wird ein großes Werk vollbringen und es wird noch in unserer Generation zu einer letzten Schlacht kommen", so prophezeit er.

Von Crivella sind zudem eine Reihe diskriminierender Äußerungen bekannt. Er beschimpfte in einem in den 1990er Jahren von ihm verfassten Buch Katholiken als "dämonisch", die Religionen Afrikas huldigten "bösen Geistern", Homosexualität sei "bösartiges Verhalten und furchtbares Übel". Den Hindus attestierte er die Praxis des Opferns von Kindern, um deren Blut trinken zu können. Während des Wahlkampfs distanzierte sich der 59-Jährige von diesen Aussagen und versicherte, er werde ein "guter Bürgermeister" sein und für den laizistischen Staat eintreten. Sein Weltbild zieht sich jedoch durch seine Predigten und die mittlerweile über ein Dutzend Schallplatten und CDs mit den von ihm vorgetragenen religiösen Liedern.

Gewonnen hat Crivella von der Igreja Universal do Reino de Deus die bedeutende Mehrzahl der Wählerstimmen in der West- und Nordzone von Rio. Während er in der wohlhabenden Südzone der Stadt nur im mondänen Viertel von Ipanema die Mehrheit der Stimmen errang, lag sein Gegenkandidat Freixo dort in allen Wahlkreisen leicht vorn. Entschieden aber wurde die Wahl in der bevölkerungsreichen Westzone der Stadt, wo Crivella einen Erdrutschsieg mit teilweise Dreiviertelmehrheiten erzielte. Es ist die Zone, wo der Staat seit Jahren abwesend ist und evangelikale Gemeinden massiv präsent sind. Es ist aber auch die Gegend, in die die Polizei sich entweder nicht hintraut oder wo sie mafiös verbunden ist mit den örtlichen Milizen, die Schutzgelder erpressen. Etliche dieser Milizen haben öffentlich zur Wahl von Crivella aufgerufen. Davon hat sich Crivella nicht distanziert. Er tritt sein Amt als Bürgermeister der 6,3-Millionen-Metropole am 1. Januar 2017 an.

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