Uneinigkeit über Präsidentschaft Venezuelas im Mercosur

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Flagge des Mercosur
Flagge des Mercosur

Montevideo. Uruguay hat seine sechsmonatige pro-tempore Präsidentschaft des Mercosur (Gemeinsamer Markt des Südens) für beendet erklärt und die Geschäfte gemäß alphabetischer Reihenfolge an Venezuela übergeben. Brasilien und Paraguay reagieren verärgert auf diesen Schritt und legen eine andere Interpretation des Gründungsvertrages nahe. 

Die traditionell gemeinsame Übergabe der Präsidentschaft hätte am 30. Juli unter Anwesenheit aller Außen- und Wirtschaftsminister des Mercosur vollzogen werden sollen. Uruguay sah sich zu der einseitigen Handlung gezwungen, da Brasilien und Paraguay das Treffen boykottierten. Beide Staaten zweifeln derzeit an der Güte der Demokratie Venezuelas und versuchten mit ihrem Fernbleiben eine Präsidentschaft des Landes im Mercosur zu verhindern. Uruguays Präsident Tabaré Vázquez hatte jedoch vorab erklärt, die Übergabe "so oder so" durchzuführen, da keine juristischen Gründe dagegen sprächen. Seine Regierung sah demnach "nichts in den Reglementarien, was den Konsens [für das Durchführen der Übergabe der pro-tempore Präsidentschaft] vorsieht."

Venezuelas Außenministerin Delcy Rodriguez pflichtete dieser Entscheidung bei und verwies auf den automatischen Wechsel des Vorsitzes gemäß Artikel 12 des Gründungsvertrags. Brasilien und Paraguay teilten diese Meinung nicht. Amtskollege Eladio Loizaga aus Paraguay erklärte die Übergabe unter Berücksichtigung des Protokolls von Ouro Preto (Artikel 37) für illegal. Da demnach alle Entscheidungen gemeinsam im Konsens getroffen werden müssten, habe laut Loizaga keine offizielle Übergabe stattgefunden und die pro-tempore Präsidentschaft sei somit vakant. Brasiliens Interimspräsident Michel Temer gab zu bedenken, Venezuela müsse zunächst die vor vier Jahren für eine Vollmitgliedschaft im Mercosur vereinbarten Voraussetzungen schaffen, um die Präsidentschaft übernehmen zu dürfen.

Verschiedene politische und wirtschaftliche Akteure sprachen sich hingegen für die Übergabe des Vorsitzes an Venezuela aus, damit der Integrationsgedanke – auch hinsichtlich der Verhandlungen mit der Europäischen Union – nicht an Glaubwürdigkeit verliert. Danilo Astori, Wirtschafts- und Finanzminister Uruguays, resümierte anlässlich der Uneinigkeit, dass sich der Mercosur gegenwärtig in einer "besorgniserregenden Situation" befinde, da die Mitgliedstaaten "nicht nur nicht als Integrationsinitiative hinsichtlich Handel und Produktion kooperieren, sondern nun auch institutionell klare Probleme haben". Er sah keine Zukunft für die Integrationsinitiative, sofern diese sich nicht öffnen und Verträge mit weltweiten Handelspartnern schließen würde.

Der Mercosur ist ein 1991 ins Leben gerufener Binnenmarkt, der rund 75 Prozent des Bruttoinlandsproduktes Lateinamerika erwirtschaftet. Derzeit sind Uruguay, Argentinien, Paraguay, Brasilien und Venezuela Vollmitglieder, daneben sind Peru, Ecuador, Bolivien, Chile und Kolumbien assoziierte Mitglieder. 

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