Interims-Regierung von Brasilien will "Flexibilisierung" des Mercosur

De-facto-Außenminister Serra sucht Schulterschluss mit Argentinien. Änderung der Statuten soll Mercosur-Mitgliedern eigene Abkommen ermöglichen

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Mercosur-Fahne
Mercosur-Fahne

Buenos Aires. Der kürzlich eingesetzte Außenminister Brasiliens, José Serra, hat der argentinischen Regierung während seines Antrittsbesuchs mehrere Vorschläge zur engeren Zusammenarbeit unterbreitet. Darunter auch die Flexibilisierung der Statuten der Wirtschafts- und Zollunion Gemeinsamer Markt des Südens (Mercosur), die auf die Möglichkeit von bilateralen Freihandelsabkommen ihrer Mitglieder mit Drittstaaten abzielt. Neben seiner argentinischen Amtskollegin Susana Malcorra kam Serra auch mit Präsident Mauricio Macri und Finanzminister Alfonso Prat-Gay zusammen. Konkret unterzeichneten die beiden Staaten lediglich ein Memorandum, dass alle zwei Monate einen Austausch der Nachbarländer zu politischen Themen der Region vorsieht.

Die bisher gültigen Statuten des Mercosur legen fest, dass Freihandelsabkommen mit Drittstaaten gemeinsam von allen Mitgliedsstaaten verhandelt werden müssen. Der Vorschlag der Übergangsregierung in Brasília sieht eine grundlegende Flexibilisierung dieser Statuten vor. Hierzu solle den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit gegeben werden, eigenständig in bilaterale Verhandlungen mit potentiellen Wirtschaftspartnern zu treten und nach erfolgreichem Abschluss andere Mercosur-Partner zum Beitritt des verhandelten Abkommen einzuladen. Laut Serra solle das Regionalbündnis nicht nur ein "diplomatisches Konstrukt" bleiben, sondern vielmehr konkrete Außen- und Wirtschaftspolitik betreiben. Der Mercosur sei zu einem Hindernis für bilaterale Handelsabkommen geworden, so Serra. Dem Minister zufolge habe sein Vorschlag in Buenos Aires "eine gute Annahme" erfahren.

Argentiniens Außenministerin Malcorra mahnte zunächst zur Geduld. Man könne grundsätzlich über Veränderungen nachdenken, jedoch würde dies einen Prozess von mindestens einem halben Jahr bedeuten. Außerdem gab sie zu bedenken, dass sich der Mercosur gerade mitten im Verhandlungsprozess mit der Europäischen Union über ein Freihandelsabkommen befinde, den es nicht zu gefährden gelte. Dieser basiere auf dem bisherigen Konzept der gemeinsam geführten Verhandlungen und habe seine Anfänge bereits vor etwa 20 Jahren. Bisher konnte keine Einigung erzielt werden. Auch deshalb bemüht sich die neoliberale Regierung von Präsident Macri momentan unter anderem um eine Annäherung an die Pazifik-Allianz und das Freihandelsabkommen "Transpazifische Partnerschaft" (TPP). Eine solche Annäherung aller Mercosur-Länder wird auch von US-Präsidenten Barack Obama unterstützt.

In Serras Antrittsrede am 18. Mai als Außenminister der neuen De-facto-Regierung hatte er eine "Ent-Ideologisierung der Außenpolitik" angekündigt: "Die Diplomatie wird wieder die Werte der brasilianischen Gesellschaft und das Interesse ihrer Wirtschaft widerspiegeln, und nicht weiter der ideologischen Präferenz einer Partei und ihren ausländischen Verbündeten zur Verfügung stehen." Gegenüber Pressevertretern betonte er, im Rahmen des Kurswechsels in der Wirtschaftspolitik Brasiliens wolle seine Regierung auch die Handelsbeziehungen mit den USA neu gestalten.

Der Politologe Juan Manuel Karg äußerte sich in einem Beitrag der Internetplattform Cubadebate kritisch zur Marschroute der Regierungen von Brasilien und Argentinien. Er verweist auf die schlechten Erfahrungen Lateinamerikas im Zuge neoliberaler Politik, speziell auf die Massenverarmung in Mexiko nach Inkrafttreten des Freihandelsabkommens Nafta mit den USA und Kanada. Der "flexibilisierte Mercosur" würde nur dem Freihandel die Tür öffnen und dazu dienen, die Region auf das TPP-Abkommen mit den USA zu orientieren, so Karg.

Die Regierung von Paraguay drängt bereits seit 2012 auf eine Änderung der Statuten. Die Mitte-links Regierung unter Präsident Tabaré Vázquez, der derzeit die Pro-tempore-Präsidentschaft des Mercosur innehat, setzt sich ebenfalls für eine Flexibilisierung ein. Der uruguayische Wirtschaftsminister Danilo Astori hatte vor einem Jahr angekündigt, die Regierung werde "alle Energien einsetzen", um dies zu erreichen. Der Mercosur sei durch Probleme einzelner Mitgliedsländer blockiert, daher müsse Uruguay auch außerhalb Abkommen schließen können.

Dem 1991 gegründeten Wirtschaftsbündnis gehören derzeit Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay und Venezuela an. Der Aufnahme Boliviens als Vollmitglied muss das brasilianische Parlament noch zustimmen.