Brasilien / Politik

Großdemonstrationen in Brasilien gegen De-facto-Regierung

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Demonstration am Sonntag in São Paulo: "Temer Raus"
Demonstration am Sonntag in São Paulo: "Temer Raus"

Brasília. Am Sonntag haben in mehreren Städten, unter anderem in der brasilianischen Hauptstadt und in der Metropole São Paulo, Zehntausende für die abgesetzte Präsidentin Dilma Rousseff und gegen die Interimsregierung demonstriert.

Die Arbeiterpartei PT hatte zum Protest in der Hauptstadt auf dem sogenannten Platz der drei Gewalten vor dem Planalto-Palast, dem Parlament und dem Obersten Bundesgericht aufgerufen. Unter dem Motto "Weg mit Temer" unterbrachen die Demonstranten, die Fahnen und Transparente gegen De-facto-Präsident Michel Temer trugen, auf einer der Hauptstraßen unter den Augen der Polizei den Verkehr.

"Es ist ein Gefühl, das sich nur schwer definieren lässt, denn es setzt sich aus Trauer, Revolte und Ohnmacht zusammen", sagte Susana Braine, eine der Demonstrantinnen und PT-Mitglied, gegenüber der staatlichen mexikanischen Nachrichtenagentur Notimex. "Die Demokratie, die so schwer k.o. geschlagen wurde, ist heute Gegenstand von Gelächter im Ausland. Der Putsch war das Werk von Banditen, die das brasilianische Volk nicht vertreten, die aber zur rechten Zeit am rechten Ort waren", fügte sie mit Blick auf die Kongressabgeordneten hinzu, die für das Amtsenthebungsverfahren gestimmt hatten.

"Jetzt gilt es zu kämpfen mit allem, was wir juristisch noch tun können, die Bevölkerung in den Straßen zu mobilisieren und uns während der sechs Monate der Regierung Temer nicht regieren zu lassen", erklärte Félix Valente. "In einem halben Jahr kann sich vieles in Brasilien ändern. Wenn das Volk die unpopulären Maßnahmen zu spüren bekommt, werden die nächsten Monate schlimm", sagte der 70-jährige Demonstrant bezugnehmend auf die Pläne zur Haushaltsanpassung der neuen Regierung, die eine Reform des Rentensystems und des Arbeitsrechts angekündigt hat.

Temer, der in der vergangenen Woche sein Kabinett vorstellte, wird auch von Organisationen wie dem Juristenverband Brasiliens (OAB) kritisiert. Der Präsident dieser Institution, Claudio Lamachia, missbilligte, dass gegen einige von Temers Ministern Ermittlungsverfahren im Gange seien oder dass sie der Korruption überführt wurden.

Die Tageszeitung O Estado in São Paulo berichtete am Sonntag, dass mindestens zwölf Minister der neuen Regierung Fonds für ihre Wahlkampagnen von Bauunternehmen erhalten hätten, die in den millionenschweren Korruptionsskandal beim halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras verwickelt seien.

Unterdessen hat das Regierungsbündnis Alianza País in Ecuador die Union südamerikanischen Nationen (Unasur) und die Gemeinschaft lateinamerikanischer und karibischer Staaten (Celac) aufgefordert, eine Dringlichkeitssitzung einzuberufen, um die "Destabilisierung des demokratieschen Systems in Brasilien zurückzuweisen".

Am vergangenen Donnerstag hatte der brasilianische Senat ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsidentin Rousseff beschlossen und sie zunächst für 180 Tage suspendiert. Vizepräsident Temer übernahm die Führung des Landes. Der Oberste Gerichtshof prüft nun, ob ausreichend Beweise für ein strafbares Handeln Rousseffs vorliegen oder nicht. Für die endgültige Absetzung der Präsidentin ist dann eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Senat erforderlich.

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