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Auswärtiges Amt erleichtert Zugang zu Archiven zur Sektensiedlung Colonia Dignidad in Chile

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Außenminister Steinmeier (SPD) bei seiner Rede über die Colonia Dignidad in Chile
Außenminister Steinmeier (SPD) bei seiner Rede über die Colonia Dignidad in Chile

Berlin. Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat eine teilweise Öffnung der Archive zur Rolle der westdeutschen Diplomatie bei den Verbrechen in der deutschen Sektensiedlung Colonia Dignidad in Chile angeordnet. Dies gab der SPD-Politiker auf einer Veranstaltung zum Thema im Weltsaal des Auswärtigen Amtes in Berlin am Dienstagabend vor rund 400 Gästen bekannt. Zuvor hatte das Außenamt den Spielfilm "Colonia Dignidad – Es gibt kein zurück" des deutschen Regisseurs Florian Gallenberger vorgeführt. Die Veranstaltung war Teil einer vorsichtigen Neuausrichtung des Umgangs mit dem Skandalfall deutscher Außenpolitik. Bereits in der letzten Woche hatte das Auswärtige Amt unter anderem über das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" und die Wochenzeitung "Zeit" eine Transparenzoffensive angekündigt.

Normalerweise betrage die Sperrfrist für Dokumente 30 Jahre, sagte Steinmeier. Er habe unter dem Eindruck der aktuellen Debatte aber entschieden, diese Frist um zehn Jahre zu verkürzen. Damit sind nun auch Dokumente aus dem politischen Archiv des Auswärtigen Amtes bis Mitte der 1990er Jahre einsehbar, zuvor waren alle Akten ab 1986 bis heute gesperrt.

Die Colonia Dignidad war 1961 von dem im vergangenen Jahr verstorbenen Deutschen Paul Schäfer gegründet worden. Der Anhänger evangelikaler Strömungen war in das südamerikanische Land geflohen, als die deutsche Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen ermittelte. Die Colonia Dignidad – ein bis zu 30.000 Hektar großes Areal in Zentralchile – diente Schäfer noch bis vor wenigen Jahren als Zentrale für sein Sekten- und Wirtschaftsnetzwerk, das auch über politische Kontakte verfügte. Parallel zur Etablierung der Colonia Dignidad nahm Schäfer zu rechtsextremen Gruppierungen in Chile Kontakt auf. Ehemalige Nazis – einschließlich ranghoher Kriegsverbrecher – gingen in der Siedlung ein und aus. Die politischen Kontakte führten nach dem Militärputsch gegen die sozialistische Regierung von Salvador Allende dazu, dass die Colonia Dignidad als Folter- und Vernichtungslager für Widerstandskämpfer genutzt wurde. Auch diese Verbrechen stehen nun in Chile vor Gericht und beschäftigen zudem deutsche Ermittlungsbehörden. Die westdeutsche Botschaft in Chile verhielt sich im besten Fall passiv, einige geflohene Sektenopfer wurden dem Regime Schäfers sogar wieder ausgeliefert.

Amerika21 wird am Donnerstag ausführlich über die Initiative des Auswärtigen Amtes berichten.

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