Programm gegen organisierte Kriminalität in Venezuela unter Beschuss

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Nationalgarde bei einem OLP-Einsatz in Caracas
Nationalgarde bei einem OLP-Einsatz in Caracas

Washington/Caracas. Das neue Sicherheitskonzept und die Polizeieinsätze der venezolanischen Regierung gegen Kriminalität sollen zu einem Anstieg von missbräuchlicher Polizeigewalt geführt haben. Betroffen seien vor allem Stadtviertel mit einkommensschwacher Bevölkerung und Gemeinden mit starkem Anteil an Migranten aus Kolumbien. Dies erklärten die Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch (HWR) und Provea in einer gemeinsamen Erklärung. HRW ist eine US-amerikanische, international tätige Organisation, Provea eine venezolanische.

Die Vorwürfe in dem Bericht, den sie in Washington veröffentlicht haben und der einen Untersuchungszeitraum Juli 2015 bis Februar 2016 nennt, umfassen extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Misshandlung von Festgenommenen, gewaltsame Vertreibung, Zerstörung von Behausungen und willkürliche Ausweisung von Menschen mit kolumbianischer Nationalität.

Für das Jahr 2015 werden bis zu 20 Todesfälle bei Polizeieinsätzen unter den Verdacht gestellt, dass tödlicher Schusswaffeneinsatz ohne Bedrohungssituation stattgefunden hätte. Bei der Räumung illegaler Siedlungen seien gesetzliche Vorschriften zur Informierung der Bewohner und Fristen ihrer Rechte zum Widerspruch nicht eingehalten worden.

Im Juli 2015 hat die sozialistische Regierung von Präsident Nicolás Maduro die "Operation Schutz und Befreiung des Volkes" (OLP) gestartet, die ein integriertes Konzept der Bekämpfung von Organisierter Bandenkriminalität und gegen die allgemein hohen Raten bei Gewaltkriminalität vorstellt. Dabei strebt die Regierung eine enge Zusammenarbeit der Bevölkerung in betroffenen Gebieten an. Hohe Mordraten und die verbreitete Unsicherheit gehören für die venezolanische Bevölkerung zu den größten Problemen.

Bei den Einsätzen sind teilweise Einheiten beteiligt, die erst im Zuge tiefgreifender Verfassungs- und Polizeireformen neu aufgebaut worden sind. Das südamerikanische Land kennt Professionalisierung und Menschenrechtsschulungen von Polizeieinheiten erst seit den Regierungen des verstorbenen Päsidenten Hugo Chávez.

In einer von HRW und Provea beantragten öffentlichen Anhörung vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission in Washington äußerten sich Venezuelas Botschafter bei der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Bernardo Álvarez, und der Leiter des Nationalen Menschenrechtsrats, Larry Devoe, zu dem kritischen Bericht.

Devoe versicherte, dass die Regierung untersuchen werde, ob im Rahmen von OLP Menschenrechtsverletzungen begangen worden sind. Die polizeilichen Operationen in den Schwerpunkten von Gewaltkriminalität seien dazu bestimmt, dort den Frieden wiederherzustellen. Verantwortliche für Übergriffe würden der Justiz überstellt werden. Bei dem Sicherheitskonzept der Regierung handle es sich "um einen Prozess in ständiger Revision" und Kritik sei willkommen, so der Funktionär.

Auch OAS-Botschafter Álvarez versicherte, jeder einzelne Fall mutmaßlicher Menschrechtsverletzung werde untersucht. Gleichzeitig kritisierte er jedoch die Härte der erhobenen Vorwürfe als unverhältnismäßig und stellte sie in einen Zusammenhang mit politisch motiviertem Druck auf die sozialistische Regierung. "Mit Sicherheit geschehen derartige Vorfälle viel häufiger in Mexiko und Ländern wie Kolumbien, einschließlich den USA", erläuterte Álvarez.

Im Falle von HRW und Provea ist der Argwohn, dass Menschenrechtsfragen politisch beeinflusst werden, nicht nur aus vergangenen Erfahrungen begründet. So stellt der aktuelle Bericht der beiden Nichtregierungsorganisationen die guten Absichten des neuen Sicherheitskonzeptes der Regierung Venezuelas darüber infrage, dass von offizieller Seite zur Kriminalitätsbekämpfung im Rahmen von OLP auch die Verfolgung des kolumbianischen Paramilitarismus und dessen Verbindungen zu Rechtspolitikern und anderen Personen in Venezuela gezählt werde.

Gleichwohl mahnte auch ein anerkannter Rechtswissenschaftler in Venezuela an, die Hinweise auf Menschenrechtsverstöße im Rahmen von Polizeieinsätzen nicht zu ignorieren. Teilweise wird die "Operation Schutz und Befreiung des Volkes" eher als gewaltfördernd anstatt befriedend beurteilt.

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