Bolivien / Politik

Sechs Tote bei Brandanschlag in Bolivien

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Das Rathaus in El Alto
Das Rathaus in El Alto

El Alto. Während einer Demonstration gegen die Stadtregierung von El Alto haben Unbekannte das Rathaus gestürmt und in mehreren Büros Feuer gelegt. Dabei starben sechs Angestellte, 18 weitere wurden verletzt. Wie die bolivianische Nachrichtenagentur ABI berichtet, forderten die Demonstranten von der Bürgermeisterin, Schulgebäude für ihre Kinder instandzusetzen. Ob die Attentäter aus den Reihen der Protestierenden kamen, ist bislang nicht geklärt.

Boliviens zweitgrößte Stadt wird von Sandra Chapetón von der Oppositionspartei Unidad Nacional regiert. Die Bewegung zum Sozialismus (MAS) von Präsident Evo Morales hatte nach Korruptionsvorwürfen das Bürgermeisteramt bei den Kommunalwahlen im März 2015 an Chapetón verloren. Diese beschuldigte nun Anhänger ihres inzwischen inhaftierten Vorgängers, für den Anschlag verantwortlich zu sein – Ziel sei gewesen, belastende Akten zu vernichten. Sie warf außerdem der Polizei vor, nicht auf ihre Anrufe reagiert zu haben, als das Rathaus gestürmt wurde.

Staatsminister Carlos Romero gab in der Nacht zu Donnerstag bekannt, dass bislang fünf Verdächtige festgenommen wurden. Die Ermittlungen würden fortgesetzt, bis alle Schuldigen gefasst sind, "unabhängig davon, ob es Anhänger der MAS, oder der Opposition oder Verwaltungsangestellte oder sonstige Personen sind". Dieses bedauerliche Ereignis dürfe jetzt nicht für politische Spiele benutzt werden, sagte der Minister an Chapetón gerichtet. Ein mögliches Fehlverhalten der Polizei werde untersucht.

Bei einer Pressekonferenz sagte Präsident Evo Morales, man werde die "intellektuellen und materiellen Täter" zur Rechenschaft ziehen. Er habe die zuständigen nationalen Sicherheitsbehörden angewiesen, unverzüglich Ermittlungen aufzunehmen, um die Schuldigen aufzuspüren, "wer auch immer sie seien". Die Minister seines Kabinetts habe er aufgefordert, den Familienangehörigen der Opfer jegliche Unterstützung zukommen zu lassen. Zuvor hatte bereits Vizepräsident Álvaro García Linera der Bevölkerung von El Alto zugesichert, die Regierung werde alles tun, um die Verantwortlichen zu fassen. "Wir sind in Trauer und großer Sorge", sagte er im staatlichen Fernsehen Bolivisión. "Sechs Menschenleben wurden ausgelöscht, dafür gibt es keine Rechtfertigung. Wir bedauern die Vorfälle zutiefst und solidarisieren uns mit den Angehörigen der Opfer. Ganz Bolivien trauert", so García Linera.

Der Anschlag geschah wenige Tage vor dem Referendum über eine Verfassungsänderung: am kommenden Sonntag entscheidet Bolivien über eine mögliche Wiederwahl von Präsident Morales. In einer Stellungnahme verurteilte die Wahlbehörde des Landes die Tat und forderte "Respekt und Toleranz gegenüber allen Ansichten und Vorschlägen". Zugleich rief sie die Bevölkerung auf, am Sonntag von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Alle Vorschriften zum Ablauf des Referendums blieben in Kraft. Ab dem heutigen Donnerstag darf an öffentlichen Plätzen oder in Medien kein Wahlkampf mehr betrieben werden.