Erneut Aktivistin in Kolumbien ermordet

Laufende Friedensverhandlungen haben Sicherheitlage für politische und soziale Aktivisten nicht verbessert. Scharfe Kritik an Regierung Santos

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Senator Cepeda informiert über den Mord an Nelly Amaya
Senator Cepeda informiert über den Mord an Nelly Amaya

Bogotá/Havanna. Während über Fortschritte bei den Friedensgesprächen der Regierung von Präsident Juan Manuel Santos und der Farc-Guerilla in Havanna berichtet wird, gehen die Morde an politisch aktiven und organisierten Menschen in Kolumbien weiter.

Am vergangenen Wochenende wurde Nelly Amaya Pérez in San Calixto im Department Norte de Santander von Unbekannten mit gezielten Schüssen getötet. Die 44-jährige Mutter von drei Kindern war Vorsitzende einer lokalen Organisation sowie Mitglied der Partei Unión Patriótica (UP). Sie gehörte zu den Überlebenden des Massakers an über 5.000 Mitgliedern der UP in den 1980er Jahren  – einem Angriff von Paramilitärs und kolumbianischer Armee, der fast die gesamte Parteistruktur zerstörte. Die UP war aus einem vorhergegangenen Friedensprozess zwischen der Regierung und den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (Farc) entstanden. Als Versuch einer politischen Lösung des internen bewaffneten Konflikts hatten sich die linken Kräfte des Landes in der UP gesammelt und mit zunehmendem Erfolg an Wahlen teilgenommen.

Bereits seit Ende des Jahres 2015 erhielten Mitglieder sozialer Bewegungen Morddrohungen von Paramilitärs. Die Bauernorganisation der Region Catatumbo, Ascamcat, fordert von der Regierung Sicherheitsgarantien und kritisiert, dass solche Taten trotz des laufenden Friedensprozesses weiter begangen werden.

Ivan Cepeda, Senatsmitglied der linken Partei, und der Kommandant der Farc, Timoleon Jimenez, gaben den Tod von Pérez über ihre persönlichen Twitter-Accounts bekannt und sprachen ihr Beileid aus. Auch landesweite politische Netzwerke sowie die Parteien UP und die Kommunistische Partei publizierten Stellungnahmen. Die regionalen Sprecher der linken Basisorganisation Marcha Patriótica (MP) im Department Norte de Santander drückten ihre Sorge über die Ermordung Amayas und die allgemeine Sicherheitslage aus.

Betroffen von weiteren Morddrohungen sind vor allem Sprecher von MP sowie die Menschenrechtsaktivisten Guillermo Pérez Rangel, Rafael Cabarcas, Yaniris Barraza und Selides Márquez. Sie haben in den vergangenen Monaten laut Ascamcat entsprechende Anrufe, Schreiben und Nachrichten auf ihre Mobiltelefone bekommen sowie Trauergestecke vor der Haustür gefunden. Die Drohungen kommen von einer paramilitärischen Gruppe, die eben diese Vertreter der linken Organisationen als Ziele deklariert hatten. Ana Erazo von der Organisation Poder y Unidad Popular sieht darin ein "klares Zeichen, dass Santos kein Stück nachgeben will": während in Havanna über die Opfer des Konfliktes und den Frieden geredet werde, würden die Anführer des Widerstandes verfolgt. Für die Regierung bedeute Frieden scheinbar lediglich, die Festigung des neoliberalen Modells abzusichern.

Trotz der in den Verhandlungen zwischen der Regierung Santos und den Farc zugesicherten Garantien für die Sicherheit sozialer und politischer Bewegungen lässt sich bisher keine Verbesserung der Menschenrechtlage feststellen. Internationale Menschenrechtsorganisationen berichten von gleichbleibender Häufigkeit der Übergriffe und Morde. Dementsprechend fordert Ascamat, dass sofort das Recht auf Leben aller Bürger und die Sicherheit der Aktivisten der sozialen Bewegungen und Menschenrechtsorganisationen garantiert werden müssten: "Der Frieden ensteht nicht allein durch die Unterzeichnung eines Abkommens, sondern mit der Garantie und dem vollen Respekt der Rechte aller Personen, beginnend mit dem wichtigsten, dem Recht auf Leben", heißt es in einer Stellungnahme zum gewaltsamen Tod von Nelly Amaya.

Unterdessen haben sich die Friedensdelegationen in Havanna darauf geeinigt, dass die Waffenruhe und die Entwaffnung der Guerilla nach Abschluss eines Abkommens von einer Kommission lateinamerikanischer Vertreter der Vereinten Nationen, der Farc und der Regierung gemeinsam zwölf Monate lang überwacht werden soll. Dies geht aus einem gemeinsamen Kommuniqué von Dienstag hervor. Ein entsprechendes Gesuch wurde bereits an Generalsekretär Ban Ki-moon und den UN-Sicherheitsrat gerichtet.

Die Friedensgespräche laufen seit Oktober 2012 und sollen zu einem Ende des sozialen bewaffneten Konflikts führen, der 220.000 Tote und über fünf Millionen Vertriebene verursacht hat.