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Umweltkatastrophe nach Dammbruch in Brasilien

Schlammlawine verschüttet Ortschaft und vergiftet Fluss. 228 Städte ohne Wasserversorgung. Regierung entzieht Minenbetreiber Samarco die Lizenz

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Die toxische Schlammlawine ergoss sich über die Ortschaft Bento Rorigues
Die toxische Schlammlawine ergoss sich über die Ortschaft Bento Rorigues

Bento Rodrigues, Brasilien. Der Dammbruch des Abbaubeckens der Eisenerzmine von Bento Rodrigues im Bundesstaat Minas Gerais vor zwei Wochen weitet sich zu einer der größten Umweltkatastrophen in der Geschichte des Landes aus. Medien sprechen mittlerweile vom Fukushima Brasiliens.

50 Millionen Kubikmeter einer toxischen Mischung aus Eisenerzresten, den beim Abbau eingesetzten Chemikalien, Metallen wie Arsen und Quecksilber sowie Schlamm ergossen sich am 5. November über die Ortschaft Bento Rodrigues. Anschließend geriet die Lawine aus Klärschlamm über einen Zufluss in den Rio Doce. Bei dem Unfall sind laut aktuellen Angaben 15 Menschen ums Leben gekommen, elf Personen gelten noch als vermisst. Insgesamt 15 Millionen Menschen sind akut bis langfristig von der schlimmsten Umweltkatastrophe des Landes betroffen.

Am vergangenen Sonnabend erreichte die Schlammwelle den Atlantik. Seitdem verhindert ein starker Wellengang den Abfluss der giftigen Mischung in den Ozean, so dass sich diese kilometerweit landeinwärts zurück staut. Brasiliens Wasserbehörde ANA warnte vor einer Umweltkatastrophe unbeschreiblichen Ausmaßes. Die giftige Welle habe entlang von 500 km Flusslauf fast das ganze aquatische Leben vernichtet, schreibt der Guardian unter Berufung auf die ANA.

Die Ministerin für Umwelt, Izabella Teixeira, erwartet, dass die Renaturierung des Deltas vom Rio Doce mindestens zehn Jahre in Anspruch nehmen werde. Zudem sei durch die Verseuchung des Flusses mit Arsen, Zink, Kupfer und Quecksilber die Aufbereitung des Wassers zum Trinkwasser nicht mehr möglich. Die Wasserversorgung von Hunderttausenden Menschen am Flusslauf des Rio Doce sei ausgefallen. Insgesamt seien 228 Städte betroffen. Die Regierung von Minas Gerais rief den Notstand aus.

Vielerorts kommt das Militär zum Einsatz. Nahe der Stadt Colatina im Bundesstaat Espírito Santo, rund 400 km von der Unfallstelle entfernt, setzte die Armee vergangene Woche schweres Gerät ein, um die Ufer der Stadt mit rund 120.000 Einwohnern gegen die erwarteten Schlammmassen zu schützen und die Wasserversorgung aufrecht zu halten. Über 50 Lkw mit Wassertanks waren allein in Colatina rundweg im Einsatz, um Wasser aus anderen Regionen heranzubringen.

Bei dem Minenbetreiber Samarco handelt es sich um ein Joint Venture der englisch-australischen Gruppe BHP Billiton, dem weltweit größten Bergbaukonzern sowie dem führenden brasilianischen Bergbauunternehmen Vale. Mit 7,7 Prozent trägt Samarco zum operativen Gewinn der Eisenerzsparte der BHP bei. Allein die Eisenerzproduktion in Minas Gerais trage einen Anteil von fünf Prozent am Ertrag und von drei Prozent am Gewinn des australischen Konzerns.

Während laut brasilianischen Bundesbehörden die absehbaren Kosten für den Wiederaufbau der betroffenen Regionen, die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser und die Re-Naturalisierung der verseuchten Gebiete in die Milliarden Euro gingen, habe die Samarco einer Zahlung von etwa 246 Millionen Euro zugestimmt.

Nachdem Samarco Mitte November eingeräumt hatte, dass auch bei seinen weiteren Minen in der Region das Risiko eines Dammbruches bestehe, warf die brasilianische Staatsanwaltschaft dem Unternehmen vor, bereits vor dem Unglück von den Risiken durch Konstruktionsmängel gewusst zu haben.

Der mittlerweile stark unter Druck geratene Haupteigner BHP widersprach umgehend und lehnte jede eigene Verantwortung ab. Dennoch ist Samarco seine Lizenzen in Minas Gerais vorerst los.

Nicht umsonst hatte die BHP-Aktie in Folge der Katastrophe um 15 Prozent an Wert verloren. Mittlerweile erholte sie sich bereits wieder um drei Prozentpunkte. Schwerwiegender für das Unternehmen wiege eher die geringe Rohstoffnachfrage aus China, als das Desaster in Brasilien, kommentierte die Neue Zürcher Zeitung.