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Bolivien bringt Forschungszentrum für Kernenergie auf den Weg

Einrichtung im Department La Paz geplant. Kooperation mit Russland. Kosten auf 300 Millionen US-Dollar geschätzt. Protest von Bewohnern anderer Region

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Evo Morales, hier auf der Bühne, erklärt vor Ort die Pläne zur Einrichtung eines Kernforschungszentrums
Evo Morales, hier auf der Bühne, erklärt vor Ort die Pläne zur Einrichtung eines Kernforschungszentrums

La Paz. Der Präsident von Bolivien, Evo Morales, strebt nach eigenen Worten den Bau des größten Nuklearforschungszentrums Lateinamerikas an. Dies sagte er auf einer Veranstaltung zur technischen Inspektion des 15 Hektar großen Baugeländes in der Provinz Murillo des Departments La Paz, wo das Zentrum innerhalb der nächsten vier Jahre entstehen soll. Zur Umsetzung des Projektes kann er auf die Unterstützung Russlands bauen. Vor fünf Wochen hatten der Chef der staatlichen Atomagentur Russlands (Rosatom) und der bolivianische Energieminister bereits eine entsprechende Vereinbarung getroffen.

Unterdessen ist Morales bei einem bilateralen Treffen im Rahmen des 3. Gipfels des Forums gasexportierender Länder (GECF) mit Russlands Präsident Wladimir Putin zusammengekommen. Putin versprach dem südamerikanischen Land Hilfe beim Aufbau des Atomzentrums: "Wir werden dieses Projekt auf Regierungsebene fördern", sagte Putin am Montag in der iranischen Hauptstadt Teheran.

Laut bisheriger Planung seien Investitionen von 300 Millionen US-Dollar für den Bau nötig. Das Nuklearforschungsinstitut soll mit einem Teilchenbeschleuniger zur Auslösung von Kernreaktionen und einem Zentrum zur medizinischen Strahlentherapie ausgestattet werden. Darüber hinaus seien eine Mehrzweckanlage zur Erzeugung vom Gamma-Strahlen und ein Kernreaktor zu Forschungszwecken geplant.

Von der zivilen Nutzung der Kernenergie erhofft sich die bolivianische Regierung Anwendungen in der Medizin, in der Agroindustrie und Fortschritte bei der Wasseraufbereitung und im Bergbausektor. Die Inbetriebnahme würde zudem 1.000 neue Arbeitsplätze schaffen. Morales unterstrich erneut, dass das Zentrum aufgrund seiner Sicherheitsstandards keine negativen Folgen für die Umwelt habe und allen Bolivianern zugute käme. Die bei der Urananreicherung entstehenden Abfälle werden nach Aussagen des Regionalchefs von Rosatom für Lateinamerika in Spezialcontainern nach Russland verschifft. Der erste Transport sei in 15 bis 20 Jahren zu erwarten.

Das Nuklearforschungszentrum stößt bei Teilen der Bevölkerung von La Paz jedoch auch auf Widerstand. Ursprünglich war der Bau in Mallasilla im Süden von La Paz geplant, jedoch stellten sich die dort ansässigen Bewohner im Einzugsgebiet des Flusses La Paz gegen die Regierungspläne. Die Verlautbarungen der Regierungsvertreter konnten die Bedenken der Kernkraftgegner über die Risiken nicht ausräumen. Die Regierung bezichtigte die Gegner daraufhin einer Desinformationskampagne. Aufgrund des Widerstands wurde nun der neue Standort außerhalb von La Paz erfolgreich eruiert. Kritiker sehen in dem Projekt erst den Beginn einer Ausweitung der Kernenergie in Bolivien vor dem Hintergrund der Regierungsambitionen zum Aufstieg als regionale Energiemacht.

Auch während seines Besuches in Deutschland hatte Präsident Morales Anfang dieses Monats über die Pläne zur zivilen Nutzung der Atomkraft gesprochen. "Wieso soll uns das Recht verwehrt bleiben, ein Zentrum zur Erforschung der Atomkraft zu haben, der zivilen Nutzung?", sagte er im Gespräch mit Amerika21-Redakteur Harald Neuber bei einer Großveranstaltung in der Technischen Universität Berlin. "Wir werden es haben, und zwar für das Gesundheitswesen, für die Landwirtschaft, zur Konservierung von Nahrungsmitteln", so Morales weiter. In Südamerika gebe es nur in Bolivien keinen Teilchenbeschleuniger. Sogar Paraguay besitze ein solchen Gerät für die Strahlentherapie.

"Wenn das also hier Aufmerksamkeit findet, weshalb ziehen dann nicht die Atomwaffen der USA die Aufmerksamkeit auf sich, warum richtet sich die Kritik nicht gegen diese Nutzung der Atomkraft, nur um Menschen zu töten, nicht um ihre Leben zu retten?", kritisierte Morales. Die Art der Nutzung sei "der Unterschied zwischen uns und dem kapitalistischen System".