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Venezuela erneut im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen

Aufruf gegen Wiederwahl von Regierungskritikern. Soziale Bewegungen lancierten Gegenaufruf. Regierungsgegner gehen bei EU-Menschenrechtspreis leer aus

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Blick in den Saal der UN-Generalversammlung in New York
Blick in den Saal der UN-Generalversammlung in New York

New York/Caracas. Venezuela ist Mitte der Woche von den Delegationen der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York zum zweiten Mal in Folge in den UN-Menschenrechtsrat gewählt worden. Für das südamerikanische Land stimmten 131 der 193 UN-Mitgliedsstaaten. Für die Region der lateinamerikanischen Staaten und der Karibik standen drei der acht Sitze zur Wahl, sie werden für die Periode von 2016 bis 2018 von Ecuador, Panama und Venezuela besetzt. Die Bahamas als vierter Bewerber zogen nicht in den Rat ein. Dem Menschenrechtsrat gehören 47 Staaten an, seine Hauptaufgabe ist die Unterstützung von Ländern bei der Einhaltung der Menschenrechte.

Der venezolanischen Opposition nahestehende Nichtregierungsorganisationen (NGO) hatten sich im Vorfeld öffentlich gegen eine Wiederwahl ausgesprochen. Nach ihrer Meinung verletzt die Regierung von Präsident Nicolás Maduro Menschenrechte auf schwerwiegende Weise. Die Verfasser kritisierten unter anderem das Vorgehen der Staatsgewalt während "weitestgehend friedlicher" Proteste der Opposition zu Beginn des Jahres 2014. Tatsächlich war es während gewaltsamer Ausschreitungen jedoch zu 43 Todesfällen gekommen. Für einen Großteil waren oppositionelle Demonstranten verantwortlich, fünf Todesfälle konnten staatlichen Sicherheitskräften zugeordnet werden.

Auch bezieht sich der Aufruf auf "Diffamierungen von Medienunternehmen und Journalisten" sowie auf das Ausscheiden des Landes aus der Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (CIDH) der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) im Jahr 2012. Unter den Unterzeichnern finden sich unter anderem die NGO Human Rights Watch, die für ihre Gegenerschaft gegen die venezolanischen Linksregierungen und ihrer Nähe zur US-Regierung bekannt ist. Zudem wurde der Aufruf von derAnti-Korruptionsorganisation Transparency International unterstützt, die sich bereits Vorwürfen ausgesetzt sah, verzerrend über Venezuela zu berichten.

Als Reaktion auf das Papier veröffentlichten 99 soziale Bewegungen aus Venezuela und anderen Staaten einen Gegenaufruf. Unter den Verfassern befinden sich mit Fundalatin und dem Institut für menschliche Entwicklung und soziale Wirtschaft zwei bei der OAS registrierte zivilgesellschaftliche Organisationen. Fundalatin verfügt seit 2015 zudem über einen Beraterstatus im Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen.

Der Aufruf bezieht sich unter anderem auf die Errungenschaften bei wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten während der vergangen 15 Jahre der sozialistischen Regierung. Die Urheber nennen Fortschritte beim Erreichen der UN-Millenniumsziele, vor allem in Bezug auf die Reduzierung der extremen Armut, Verbesserungen in der Geschlechtergerechtigkeit sowie beim Bildungs- und Gesundheitssystem. Kritisch verweisen sie auf eine  beabsichtigte politische Destabilisierung und auf die gewalttätigen Oppositionsproteste. Venezuela setze sich international für die Menschenrechte ein, argumentieren sie.

Indes scheiterte der Versuch im Europaparlament, Gegnern der Regierung Maduro den Menschenrechtspreis des Hauses zu verleihen. Nominiert war von Konservativen und Liberalen das venezolanische Oppositionsbündnis "Tisch der demokratischen Einheit" (MUD) und "politische Gefangene". Am Ende entschied sich die sogenannte Konferenz der Präsidenten – Parlamentspräsident Martin Schulz und alle Vize-Präsidenten des Europäischen Parlaments – aber für den saudischen Blogger Raif Badawi. Verliehen wird der mit 50.000 Euro dotierte "Sacharow-Preis" am 16. Dezember in Strasbourg.

Badawi hatte als einziger Kandidat die Unterstützung aller Fraktionen. Nach Informationen aus EU-Kreisen hatten sich Vertreter der Sozialdemokraten und Grünen hinter den Kulissen gegen die Verleihung an die venezolanischen Regierungsgegner ausgesprochen und mit deren Rolle bei gewalttätigen Protesten argumentiert. Vertreter der linken Fraktion GUE/NGL kündigten offen an, gegen die venezolanische Opposition zu stimmen. "Die EU sollte bei den Menschenrechten endlich mal vor der eigenen Haustür kehren", sagte der deutsche EU-Abgeordnete Fabio De Masi gegenüber amerika21. Seine Fraktion habe deswegen die drei Whistleblower Antoine Deltour, Edward Snowden und Stéphanie Gibaud für den Sacharow-Preis nominiert. "Leider war ihre Auszeichung politisch nicht gewünscht", so De Masi.