Entschädigungsgesetz für Diktaturopfer in Chile verabschiedet

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Opfer der Diktatur und Angehörige fordern seit Jahren eine angemessene Entschädigung und ein Ende der Straflosigkeit
Opfer der Diktatur und Angehörige fordern seit Jahren eine angemessene Entschädigung und ein Ende der Straflosigkeit

Santiago de Chile. Der chilenische Kongress hat ein Gesetz verabschiedet, das den chilenischen Staat dazu verpflichtet, den Opfern der Diktatur unter Augusto Pinochet (1973-1990) eine einmalige Entschädigungszahlung im Wert von umgerechnet 1.300 Euro zu leisten. Von dieser Geldsumme profitieren fast 30.000 ehemalige politische Gefangene und Folteropfer des Pinochet-Regimes. Das Gesetz sieht zudem eine Zahlung von umgerechnet 780 Euro an die Ehepartner der verstorbenen Opfer vor. Insgesamt beträgt die Entschädigungssumme eine Million US-Dollar. Die Wahrheitskommissionen in dem südamerikanischen Land haben in ihren Berichten rund 3.000 Fälle ermordeter und verschwundener Chilenen und mehr als 28.000 Folteropfer dokumentiert, landesweit wurden 1.132 Haft- und Folterzentren nachgewiesen.

Dem Gesetz waren zahlreiche Proteste und Verhandlungen sowie kontroverse Kongressdebatten vorausgegangen. Nachdem vor einigen Monaten ehemalige politische Gefangene über 40 Tage im Hungerstreik ausgeharrt hatten, um höhere Renten, eine bessere Gesundheitsversorgung und Zahlungen an tausende Opfer, die bislang keine staatliche Entschädigung erhalten haben, zu erstreiten, wurden sie schließlich zu Verhandlungsrunden mit Vertretern der Regierung eingeladen. Ergebnis dieser Gespräche war jedoch lediglich das Versprechen seitens der Regierung, ein Gesetz für eine einmalige Entschädigungszahlung zu erarbeiten. Für Furore sorgten zudem die Diskussionen im chilenischen Abgeordnetenhaus. Ignacio Urrutia, Mitglied der ultrakonservativen Partei Unión Demócrata Independiente (UDI), stimmte als einziger gegen das Entschädigungsgesetz, und argumentierte: “Die wahren Patrioten, diejenigen, die Chile vor der marxistischen Diktatur gerettet haben, sind heute in Punta Peuco, und sie sind größtenteils zu Unrecht verurteilt worden.“ Punta Pueco ist das Militärgefängnis für Staatsfunktionäre und Militärs, die Menschenrechtsverletzungen während der Pinochet-Diktatur begangen haben.

Die historische Aufarbeitung der Diktaturverbrechen in Chile geht nur sehr schleppend voran. Nach wie vor werden politische und wirtschaftliche Entscheidungsinstanzen von damaligen Menschenrechtsverbrechern oder von Personen, die diese Verbrechen banalisieren und rechtfertigen, kontrolliert.

Entsprechend kritisieren Experten, dass die Reichweite der 2003 gegründeten Valech-Kommission zur Aufarbeitung der während der Diktatur verübten Verbrechen begrenzt ist. Francisco Ugás, ehemaliger Vorsitzender des Menschenrechtsprogramms des Innenministeriums, bemängelte, dass der chilenische Staat hinsichtlich der Aufarbeitung der Diktaturverbrechen seinen Verpflichtungen in vier Aspekten nicht nachkomme: Bislang seien weder die Verbrechen ausreichend aufgeklärt, noch die Täter angemessen bestraft worden. Zudem seien die Opfer nicht genügend entschädigt worden und auch die Nichtwiederholung der Gräueltaten sei unzureichend garantiert.