Kolumbien / Politik

"Historische Vereinbarung" für Friedensprozess in Kolumbien

Farc-Guerilla und Regierung Santos einigen sich auf "Übergangsjustiz". Wahrheitskommission, Sondergerichte für den Frieden und Amnestie geplant

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Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos, der kubanische Präsident Raúl Castro und der Oberkommandierende der Farc, Timoleón Jiménez, am Mittwoch in Havanna
Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos, der kubanische Präsident Raúl Castro und der Oberkommandierende der Farc, Timoleón Jiménez, am Mittwoch in Havanna

Havanna. Die Regierung von Kolumbien und die Guerillabewegung Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens (Farc) haben am Mittwoch ein "Abkommen über die Schaffung einer Sondergerichtsbarkeit für den Frieden" unterzeichnet. Damit wurden Regelungen für eine Strafverfolgung und Amnestie für die Beteiligten am bewaffneten Konflikt vereinbart. Beide Seiten bewerteten dies als wichtigen Schritt in den Friedensverhandlungen.

Präsident Juan Manuel Santos und der Oberkommandierende der Farc, Timoleón Jiménez, waren zu diesem Anlass eigens nach Havanna gereist. Kubas Staats- und Regierungschef Raúl Castro, der ebenfalls an dem feierlichen Akt teilnahm, hatte beide zuvor zu einem gemeinsamen Gespräch empfangen. Wie Santos vor der Presse erklärte, habe er mit Jiménez verabredet, dass die Friedensgespräche bis März 2016 zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden sollen. Sie wurden vor drei Jahren begonnen und sollen zu einem Ende des über 50 Jahre andauernden bewaffneten Konflikts führen. Norwegen und Kuba fungieren dabei als Garanten, Venezuela und Chile als Begleiter.

In dem Kommuniqué der Friedensdelegationen heißt es, man habe sich auf eine "Kommission für die Aufklärung der Wahrheit, für das Zusammenleben und die Nichtwiederholung" verständigt und wichtige Vereinbarungen über die Entschädigung der Opfer getroffen. Außerdem werde eine "Sonderrechtsprechung für den Frieden" mit speziellen Gerichten und einem "Tribunal für den Frieden" umgesetzt. Ihre Hauptaufgabe sei, die Straflosigkeit zu beenden, die Wahrheit zu ermitteln und zur Wiedergutmachung für die Opfer beizutragen. Auch fällt die Verhängung von Strafen gegen die Verantwortlichen für schwere Delikte im bewaffneten Konflikt in ihre Kompetenz. Personell sollen sie aus kolumbianischen Justizangestellten und einer Anzahl ausländischer Experten zusammengesetzt sein.

Gemäß dem Internationalen Völkerrecht werde der Staat nach Beendigung der Feindseligkeiten eine möglichst weitgehende Amnestie für politische Delikte gewähren. Ausgeschlossen hiervon sind Verbrechen gegen die Menschheit sowie schwere Kriegsverbrechen. Diese werden Gegenstand der Untersuchung und Verurteilung durch die Sondergerichtsbarkeit sein, die sowohl für Angehörige der Farc wie für Staatsbedienstete zuständig sein wird. Bei den Gerichtsverfahren werde es zwei Vorgehensweisen geben: eine für diejenigen, die "Wahrheit und Verantwortung anerkennen", und eine andere für die, die das nicht oder verspätet tun. Erstere werden im Fall schwerer Vergehen zu Freiheitsentzug zwischen fünf und acht Jahren "unter besonderen Bedingungen", jedoch nicht zu Gefängnis, verurteilt. Letztere erhalten das selbe Strafmaß, müssen ihre Strafe jedoch im Gefängnis absitzen. Gegen diejenigen, die schwere Verbrechen begangen haben und ihre Verantwortung leugnen, kann das Urteil auf bis zu 20 Jahre Gefängnis lauten.

Die Farc verpflichten sich, innerhalb von 60 Tagen nach Unterzeichnung des Friedensvertrages die Waffen niederzulegen. Die Umwandlung der Guerilla in eine legale politische Bewegung sei gemeinsames Ziel und werde von der Regierung entsprechend der zu treffenden Vereinbarungen unterstützt, heißt es abschließend.

Bei einer Pressekonferenz nach Unterzeichnung des Abkommens betonte Farc-Kommandant Jiménez, die Guerilla übernehme die Verantwortung für ihr Handeln im Verlauf des Widerstandskampfes, "aber niemals für das, was unsere Gegner uns eigennützig und ohne Fundament und Urteil zur Last legen". Zugleich wies er auf einen Bericht des Internationalen Strafgerichtshofes über Kolumbien hin, in dem dieser festgestellt hatte, dass die Aufständischen "unerbittlich und mit allen Mitteln und Methoden" verfolgt worden seien. Nicht die Guerrillaorganisationen hätten von Straflosigkeit profitiert, sondern Staatsbedienstete und Paramilitärs, so Jiménez.

Nach Angaben von Rechtsanwälten und Menschenrechtsaktivisten gibt es derzeit mindestens 9.500 politische Gefangene in Kolumbien. Unter ihnen sind Aktivisten aus der Studentenbewegung, den Gewerkschaften oder den Bauernorganisationen - und tausende Kriegsgefangene aus der Guerilla, die wegen Terrorismus und Rebellion verurteilt wurden.