Regierungskritiker machen vor Deutschland-Reise von Morales mobil

Boliviens Präsident Evo Morales führt Gespräche mit Merkel über Wirtschaftskooperation. Deutsche NGOs laden bolivianische Regierungskritiker ein

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Boliviens Präsident Evo Morales trifft Bundeskanzlerin Angela Merkel am 4. November
Boliviens Präsident Evo Morales trifft Bundeskanzlerin Angela Merkel am 4. November

Berlin/La Paz. Die Vorbereitungen zum ersten Staatsbesuch des bolivianischen Präsidenten Evo Morales in Deutschland sind angelaufen. Nach Angaben der bolivianischen Botschaft in Berlin wird Morales am 4. November mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammentreffen, am 5. November sei er als Ehrenredner des Lateinamerika-Tags des Lateinamerika-Vereins in Hamburg eingeladen. Geplant ist zudem – wie bereits beim Besuch des ecuadorianischen Präsidenten Rafael Correa im Herbst 2013 – eine Großveranstaltung in der Aula Magna der Technischen Universität Berlin.

Morales will seinen Staatsbesuch in Deutschland nutzen, um über mögliche Wirtschaftskooperationen in den Bereichen erneuerbare Energien und neue Transportsysteme zu sprechen. Ein zentrales Gesprächsthema wird dabei der geplante Ausbau des Verkehrskorridors zwischen Atlantik und Pazifik, der sogenannte "Bioceánico", sein.

Indes bereiten sich auch deutsche Kritiker der Politik der bolivianischen Regierung auf den Besuch des linksgerichteten Präsidenten vor. So soll Mitte Oktober auf Einladung der katholischen Organisation Misereor eine Reise bolivianischer Aktivistinnen und Aktivisten nach Deutschland stattfinden, die Teile der Politik der Regierung Morales ablehnen. Eingeladen wurden die Geschäftsführerin der Nationalen Union der Institutionen für soziale Aktion (Unitas), Susana Eróstegiu Revilla, und der Geschäftsführer der bolivianischen Stiftung Fundación Jubileo, Juan Carlos, Núñez Vidaurre.

Unitas wurde 1976 als Netzwerk zivilgesellschaftlicher Akteure in Bolivien gegründet und ist vor allem im Bereich der Menschenrechte und der Stärkung der Zivilgesellschaft aktiv. Die Organisation kooperiert mit verschiedenen christlichen Organisationen, wie Diakonia und Christian Aid. Die Fundación Jubileo wurde 2003 von den Bistümern Trier und Hildesheim sowie der bolivianischen Bischofskonferenz im Zusammenhang mit der internationalen Kampagne zum Schuldenerlass für Entwicklungsländer gegründet. Sie setzt sich vor allem mit Themen wie Entwicklungsfinanzierung, Staatsverschuldung, Nachhaltigkeit wirtschaftlicher Entwicklung und wirtschaftlicher Diversifizierung sowie Extraktivismus kritisch auseinander.

Im Vorfeld der Reise erkannte das katholische Hilfswerk Misereor in einer Ländereinschätzung zwar an, dass Bolivien unter der Regierung Morales eine "großzügige Verteilungspolitik über verschiedene Sozialprogramme" umgesetzt habe, die größtenteils der armen Stadtbevölkerung, Kleinbauern und Indigenen zu Gute kommt. Die Mehrheit der Bolivianerinnen und Bolivianer lebe aber weiterhin von meist prekären Tätigkeiten im informellen Bereich, da reguläre Beschäftigungsverhältnisse und Realeinkommen nur minimal angestiegen seien. Auch eine Transformation und Diversifizierung der bolivianischen Wirtschaft habe bisher kaum stattgefunden. Stattdessen setze die bolivianische Regierung auf industrielle Großprojekte, die Förderung der Agrarindustrie und die deutliche Ausweitung der Ausbeutung von Erdgas, Erdöl und Mineralien. All diese Vorhaben würden auf Kosten von Naturschutzgebieten und indigenen Territorien umgesetzt und zu Konflikten beitragen.

Tatsächlich steht die Einladung der Aktivisten im Zusammenhang mit zunehmenden Kontroversen zwischen der bolivianischen Regierung und Nichtregierungsorganisationen (NGO) sowie deren internationalen Unterstützern. Den NGO Milenio, Fundación, Tierra, Cedib und Cedla hatte Vizepräsident Vizepräsident Álvaro García Linera unlängst vorgeworfen, sie würden die Bevölkerung "unter dem Deckmantel der Rettung des Planeten" belügen und Gelder von ausländischen Unternehmen und Regierungen erhalten. Die genannten bolivianischen NGO werden nach eigenen Angaben unter anderem von der US-Regierungsstiftung National Endowment for Democracy, der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung, der EU-Kommission und auch von Misereor finanziert. Die Regierung Morales kündigte Ermittlungen über ihre Geldquellen und ausländischen Sponsoren an, was erhebliche Kritik provozierte.

García Linera bekräftigte dessen ungeachtet die Position der Regierung. Die nationale Selbstbestimmung sei eine Dimension der sozialen Selbstbestimmung. Keine Revolution könnte in der Vertiefung der demokratischen Rechte der Gesellschaft ohne die Konsolidierung der staatlichen Souveränität vorankommen, schrieb er zu dem Konflikt. "Deshalb können wir nicht zulassen, dass ein fremdes Land, Unternehmen oder eine halbstaatliche ausländische Organisation die öffentliche Politik des Plurinationalen Staates Bolivien bestimmen. Andernfalls wären wir einem Neokolonialismus unterworfen", so García Linera.