Guatemala / Politik

Guatemala feiert Absetzung des Präsidenten und sorgt sich um Wahlen

Jubel auf den Straßen des Landes. Pérez Molina war nach Haftbefehl wegen Korruption zurückgetreten. Abstimmung am Sonntag soll dennoch stattfinden

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Jugendliche feiern Rücktritt von Pérez Molina in Guatemala-Stadt
Jugendliche feiern Rücktritt von Pérez Molina in Guatemala-Stadt

Guatemala-Stadt. Nur zwei Stunden nachdem der von tausenden Demonstranten lange geforderte Rücktritt von Präsident Otto Pérez Molina in Guatemala um drei Uhr am frühen Donnerstagmorgen bekannt gegeben wurde, feierten die ersten Frühaufsteher auf dem Hauptplatz von Guatemala-Stadt.

"Nun ist die korrupte Militärregierung am Ende", rief eine wachsende Menge von Demonstranten gegen acht Uhr vor dem Gerichtsgebäude, in dem sich der Ex-Präsident einfinden wollte, um sich der Justiz zu stellen. Pérez Molina gab derweil an, ein "ruhiges Gewissen" zu haben. Er hoffe auf Gerechtigkeit und darauf, dass sich die Justiz nicht durch "ausländische Instanzen manipulieren" lasse. Gemeint war offenbar die UN-Kommission gegen Straffreiheit in Guatemala (Cicig). Sie hatte die Verstrickung des Präsidenten in das Korruptionsnetzwerk "La Línea" bestätigt und damit maßgeblich zum politischen Ende des ehemaligen Generals und Rechtskonservativen beigetragen. In einem Interview nach seinem Rücktritt merkte Pérez Molina – nach wie vor drohend – an, er hätte die UN-Kommision jederzeit aus dem Land werfen lassen können.

Nach den monatelangen Forderungen nach dem Rücktritt von Pérez Molina feierte das guatemaltekische Volk, wie die einflussreiche Tageszeitung La Prensa Libre dann auch in ihrer Headline am Donnerstag schrieb. Rigoberta Menchú, indigene Aktivistin und Friedensnobelpreisträgerin von 1992, erklärte, Guatemala sei "durch Gewalt und Betrug gespalten" worden. Die sozialen Unruhen in den vergangenen Monaten stellten eine "Wiedergeburt des Volkes" dar, so Menchú weiter.

"Und das war es nun! Mit Überzeugung und Stärke haben die Bauern, Indigenen und die Bevölkerung den Volksmörder und Menschenrechtsverletzer (Präsident Otto Pérez Molina) zu Fall gebracht!", merkte die "Nationale Vereinigung der Maya-Indigenen Waqib’Kej" an.

Politische Analysten warnten indes davor, dass sich die hartnäckige politische Parteienelite, die sich nach den Friedensverträgen von 1996 etabliert hatte, am kommenden Wahlsonntag wiederwählen lassen will, um weiter zu machen wie bisher. Die Oligarchie berücksichtige nicht, dass die Bevölkerung die Nase voll habe und Korruption nicht weiter toleriere, kommentierte die Tageszeitung El Periódico.

Um gewalttätige Ausschreitungen zu verhindern, will das Büro des Hochkommissariats für Menschenrechte der UN (OACNUDH) Beobachterteams in verschiedene Regionen entsenden.

Für Pérez Molina war die Luft in den vergangenen Tagen immer dünner geworden: Nachdem am 21. August Anklage gegen den Staatschef erhoben wurde, entzog ihm das Parlament diese Woche die Immunität. Zeitgleich zu dem Haftbefehl wurde ihm untersagt, das Land zu verlassen.

Die Staatsanwaltschaft hatte bei ihren Vorwürfen Rückendeckung von der Cicig bekommen. Nach dem offiziellen Haftbefehl nun blieb dem Ex-Militär keine Wahl mehr. Er trete zurück, "um die Institutionalität der Regierung nicht zu beschädigen und den gegen ihn laufenden Prozess individuell zu lösen", hieß es in einer Erklärung, die Präsidentensprecher Jorge Ortega der Presse zukommen ließ.

Derzeit hat es den Anschein, dass Pérez Molina über einen der größten Korruptionsfälle in der derzeitigen Geschichte Lateinamerikas gestürzt ist. Der offenbar vom Präsidentenpalast mit aufgebaute Korruptionsring soll laut Staatsanwaltschaft Konzernen gegen die Zahlung von Schmiergeldern ermöglicht haben, Waren am Zoll vorbei in das Land zu schaffen. Dem Staat seien dadurch Millionen US-Dollar entgangen.

Im Zusammenhang mit den Ermittlungen sind in den vergangenen Wochen bereits 27 Personen festgenommen worden, unter ihnen Ex-Vizepräsidentin Roxana Baldetti. Ein halbes Dutzend Minister und hochrangige Funktionäre haben ihren Rücktritt erklärt.

Die Wahlen am Sonntag sollen nach Angaben lateinamerikanischer Medien ungeachtet des Rücktritts des Präsidenten stattfinden, dessen Amtsgeschäfte von seinem Vertreter Alejandro Maldonado fortgeführt werden. Gewählt werden sollen – neben einem neuen Präsidenten und Vizepräsidenten – 338 Bürgermeister, 158 Abgeordnete des Parlaments und 20 Vertreter für das Zentralamerikanische Parlament.