Eine politische Papstreise

Franziskus spricht auf den Stationen seiner Lateinamerika-Reise vom Evangelium und dem Kampf gegen die Ungerechtigkeit in der Welt

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Papst Franziskus beim Welttreffen der Volksbewegungen
Papst Franziskus beim Welttreffen der Volksbewegungen

Quito/La Paz/Asuncion. Wenn Papst Franziskus reist, dann tut er das immer auch mit einer politischen Botschaft. Bei seiner Visite in Südamerika in der vergangenen Woche wurde das überdeutlich. Ob der Papst als Oberhaupt der katholischen Kirche vor dem Gipfel der Volksbewegungen, vor Gefangenen oder Indigenen spricht, immer ging es ihm auch um den Kampf gegen die Ungerechtigkeit in der Welt. Neun Tage war er unterwegs, besuchte drei Länder, hielt 21 Reden und sprach vor mehreren Millionen Menschen in Ecuador, Bolivien und Paraguay.

Zu Beginn seiner Reise in Ecuador führte er die Kriege und Gewaltausbrüche der Gegenwart auch auf den grassierenden Individualismus zurück, "der uns trennt und uns gegeneinander stellt". Intrigen, Misstrauen und Verrat seien Zeichen der zunehmenden Bosheit, gegen die das Christentum den Auftrag der Einheit auszuführen habe, sagte der Argentinier. "Die Selbsthingabe ist das, was die zwischenmenschliche Beziehung begründet, die nicht dadurch entsteht, dass man Dinge schenkt, sondern sich selbst", so der Papst.

In Bolivien sprach Franziskus unter anderem beim zweiten Welttreffen der Volksbewegungen und bat um Vergebung für die Vergehen der Kirche und die Straftaten gegen einheimische Völker bei der Kolonialisierung Lateinamerikas. Aber er fügte hinzu: "Ich möchte auch an die Abertausenden Priester erinnern, die sich der Logik des Schwertes mit der Macht des Kreuzes widersetzt haben. Es gab Sünden, und sie waren reichlich. Wir haben uns niemals entschuldigt, weshalb ich nun um Vergebung bitte."

Die anwesenden indigenen Vertreter auf dem Volksgipfel brachen überwiegend in Jubel aus. "Wir akzeptieren die Entschuldigungen. Was können wir noch mehr von einem Mann wie Papst Franziskus erwarten?", sagte Adolfo Chavez, Vorsitzende der "Konföderation der Indigenen Boliviens" (CIDOB). Auf einer Messe hatte der Papst zuvor die "Wegwerfkultur" einer rein kommerziellen Lebenseinstellung verurteilt. "Das ist eine Mentalität, in der alles einen Preis hat, alles käuflich ist und alles verkäuflich", sagte der Papst. "Diese Art zu denken lässt nur ein paar Auserwählten Platz und rangiert alle aus, die nicht leistungsfähig sind." Bei seinem Besuch im berüchtigten Palmasola-Gefängnis zum Abschluss der Bolivien-Reise rief der Papst Behörden und Polizei zu würdigen Haftbedingungen in Bolivien auf.

Papst Franziskus ehrte auch den 1980 in Bolivien wegen seines politischen Engagements ermordeten Jesuitenpater Luis Espinal Camps. Morales schenkte ihm zu diesem Anlass eine Kopie des von Espinal Camps angefertigten, mit den sozialistischen Symbolen Hammer und Sichel verzierten Kruzifix.

Auf seiner letzten Station der Reise in Paraguay lobte der 78-Jährige unter anderem die Entwicklung des Landes in den Bereichen Bildung und Gesundheit sowie den Kampf gegen die Korruption. Es seien jedoch noch Anstrengungen erforderlich, bis es keine Bauern ohne Land, keine Familien ohne Heim, keine Arbeiter ohne würdigen Arbeitsplatz gebe. "Eine wirtschaftliche Entwicklung, die nicht die Schwächsten und Unglücklichsten beachtet, ist keine wahre Entwicklung", sagte Franziskus. "Das Maß des Wirtschaftsmodells hat die unversehrte Würde des Menschen zu sein, vor allem dessen, der am meisten verletzlich und schutzlos ist." Die Kirche sei zur Zusammenarbeit im Aufbau einer gerechten Gesellschaft bereit.

Neben dem Jubel, die der Papst auf seiner Reise empfing, gab es auch Kritik. So boykottierte der Vorsitzende des Indigenen-Verbandes FAPI in Paraguay, Hipolito Acevai, den Besuch. Als Begründung nannte er die fehlende Möglichkeit, Franziskus direkt über schwere Menschenrechtsverletzungen gegenüber indigenen Völkern in Paraguay zu informieren. Zwar habe sich der Verband an die Kirche und die Regierung gewandt, aber keine Antwort erhalten.

In Ecuador gab es vor dem Besuch heftige Kritik an einer Vereinnahmung des Papstes durch Präsident Rafael Correa, gegen dessen Steuerpolitik derzeit die Opposition protestiert.

Einen Tag vor Ankunft des Papstes auf dem Welttreffen in Bolivien haben Aktivistinnen vor der Kathedrale in La Paz gegen die Kirche und den Papstbesuch demonstriert. Sie kritisieren vor allem die Position der Kirche zum Thema Abtreibung.