Venezuela / Politik

Viele Warnungen vor Putschgefahr in Venezuela

Regierung bittet angesichts konkreter Hinweise um Unterstützung. Auch ausländische Beobachter und Oppositionsvertreter schüren Gerüchte

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Unasur-Generalsekretär Ernesto Samper sicherte Präsident Maduro bei seinem Besuch am Mittwoch in Caracas Unterstützung zu
Unasur-Generalsekretär Ernesto Samper sicherte Präsident Maduro bei seinem Besuch am Mittwoch in Caracas Unterstützung zu

Caracas. Vertreter der Regierung in Venezuela und regierungsnahe Medien warnen vor einem erneuten Putschversuch in dem südamerikanischen Land. Neben Präsident Nicolás Maduro verwiesen weitere Politiker der regierenden Vereinten Sozialistischen Partei (PSUV) auf Anzeichen für Pläne, die amtierende Staatsführung zu stürzen. Die Option eines gewaltsamen Umsturzes wird erstmals auch von Vertretern der Opposition, regierungskritischen Medien und ausländischen Diplomaten diskutiert.

Von einem Sonderparteitag der PSUV aus hatte Maduro sich Mitte der Woche zunächst entschieden gegen Sanktionen der USA gewandt. Die Strafmaßnahmen seien Teil einer Strategie, seine Regierung in Bedrängnis zu bringen, sagte Maduro, der die internationale Gemeinschaft um Hilfe bat. Im Dezember und erneut vor wenigen Tagen hatte die US-Regierung mit Verweis auf "Menschenrechtsverletzungen und Korruption" in dem südamerikanischen Land neue Sanktionen gegen Caracas verhängt. Mehrere lateinamerikanische Staaten sowie die Regionalorganisationen Unasur (Union Südamerikanischer Nationen) und CELAC (Gemeinschaft Lateinamerikanischer und Karibischer Staaten) hatten dagegen protestiert.

Maduro warf dem US-Vizepräsidenten Joseph Biden nun vor, eine Kampagne gegen Venezuela mit zu organisieren. Biden, der zur Demokratischen Partei von US-Präsident Barack Obama gehört, habe unter anderem mehrere Ex-Präsidenten lateinamerikanischer Staaten kontaktiert und um Unterstützung für eine Kampagne gegen die Maduro-Regierung gebeten. Unlängst waren die Ex-Präsidenten Andrés Pastrana (Kolumbien) und Sebastián Piñera (Chile) nach Venezuela gereist, um einen Oppositionspolitiker zu besuchen, der wegen seiner mutmaßlichen Verantwortung für blutige Unruhen vor einem Jahr inhaftiert ist.

Der venezolanische Präsident wandte sich in diesem Zusammenhang direkt an Obama: "Ihre Botschaft in Caracas kontaktiert Militärs und bietet ihnen Geld an; Ihre Botschaft sucht den Kontakt zu Ministern, politischen Funktionären, Bürgern, Ex-Ministern der Revolution, um ihnen Geld anzubieten und sie zu umwerben", so Maduro, dem nach eigenen Angaben Belege für diese Vorwürfe vorliegen.

Auch die US-amerikanisch-venezolanische Rechtsanwältin und Journalistin Eva Golinger stützte die Darstellungen, nach denen ein Sturz der Regierung Maduro vorbereitet wird. "In Venezuela ist ein Staatsstreich im Gange, und alles verläuft wie nach einem schlechten Drehbuch der CIA", schrieb die dem Bolivarischen Prozess verbundene Journalistin in einem online verbreiteten Beitrag. Golinger verwies auf eine Reihe von Artikeln in US-amerikanischen und spanischen Medien, die der linksgerichteten Regierung in Venezuela kritisch gegenüberstehen. So habe die US-Tageszeitung "New York Times" Venezuelas Präsidenten Maduro unlängst als "fehlgeleitet und despotisch" bezeichnet, während das spanische Blatt "ABC" Venezuelas Parlamentspräsidenten Diosdado Cabello ohne hinreichende Beweise als Drogenhändler denunzierte. Parallel dazu habe die Sprecherin des US-Außenministeriums, Jen Psaki, eine "Kriminalisierung der venezolanischen Dissidenten" beklagt. "Dies sind nur einige Beispiele einer zunehmenden negativen Berichterstattung über Venezuela", so Golinger.

Für Aufsehen in der deutschen Gemeinde Venezuelas sorgte inmitten dieser Situation ein Schreiben des Geschäftsträgers der deutschen Botschaft in Caracas. Darin fordert der Diplomat die bei der Botschaft gemeldeten Bundesbürger auf, sich auch auf "politische Unruhen, wie sie sich im Frühjahr 2014 abgespielt haben" vorzubereiten. Das per E-Mail verbreitete Schreiben, das amerika21 vorliegt, empfiehlt "eine gute Vorratshaltung: Lebensmittel und Wasser für mehrere Tage – im Idealfall empfehlen wir zwei Wochen – sowie elementare Dinge wie Bargeld, Medikamente, Batterien (für ein Radio), Kerzen und etwa Kopien wichtiger Dokumente".

Die Empfehlungen der deutschen Botschaft passen zu Einschätzungen der EU über eine kritische Lage in Venezuela. Nach Angaben eines westlichen Diplomaten gehen Außenpolitiker in Brüssel inzwischen von der Möglichkeit eines Putsches mit Beteiligung des Militärs aus. In diesem Fall würde Präsident Maduro womöglich nach Kuba ins Exil gehen, die Lage im Land bliebe instabil. Im Bereich des Möglichen sieht man bei der EU offenbar auch einen anhaltenden Bürgerkrieg. In diesem Fall könnte eine internationale Friedenstruppe nach Venezuela entsandt werden, eventuell auch mit Beteiligung von EU-Staaten, hieß es in Brüssel.

In einem Interview mit der regierungskritischen Tageszeitung "El Nacional" schloss auch der Vorsitzende des oppositionellen Parteienbündnisses Tisch der Demokratischen Einheit (MUD), Jesús Torrealba, einen Umsturzversuch nicht mehr aus. "Wir glauben, dass die Krise in Venezuela in ihre Endphase eingetreten ist", sagte der Politiker, der auf Einladung der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung unlängst auch in Deutschland zu Besuch war. Angesichts der schwierigen Situation der staatlichen Institutionen könnte es zu einem Putschversuch kommen, so Torrealba in dem Interview. Das MUD-Bündnis habe für diese Situation "ein Protokoll über sein Vorgehen" in der Schublade: "Wir würden sofort zu freien Neuwahlen aufrufen." Man wolle "weder diese noch eine andere Diktatur".