Haiti / Politik

Haiti ohne Parlament, Wahlen vor Jahresende vereinbart

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Regiert weiter per Dekret: Haitis Präsident Martelly
Regiert weiter per Dekret: Haitis Präsident Martelly

Port au Prince. Das Parlament in Haiti hat sich am Dienstag aufgelöst. Eine im Dezember vergangenen Jahres auf Anregung der USA zwischen den drei Staatsgewalten erreichte Vereinbarung, die es ermöglicht hätte, die Mandate zu verlängern und das Wahlgesetz zu ändern, wurde nicht umgesetzt. Die Mandate der Abgeordneten sind nun abgelaufen. Sie können damit auch die Ernennung von Evans Paul zum neuen Ministerpräsidenten und sein Regierungsprogramm weder ablehnen noch annehmen. Haitis Präsident Michel Martelly behält seine Sondervollmachten, um per Dekret zu regieren und hat sich verpflichtet, vor Jahresende Wahlen abzuhalten.

Zuvor hatten die haitianische Regierung von Präsident Michel Martelly und 23 Oppositionsparteien am vergangenen Montag eine Vereinbarung getroffen, Wahlen abzuhalten und eine Konsens-Regierung zu bilden. Zu den bekannt gewordenen Details des Paktes gehört, dass kein Vertreter der Regierung oder einer politischen Partei Teil des nächsten Wahlrates sein kann, der für die Organisation der Wahlen verantwortlich ist. Diesem Rat werden neun Sektoren angehören, darunter die katholische und evangelische Kirche sowie die Volksreligion Vodou, die Organisationen der Mütter, der Arbeitgeber, Bauern, Gewerkschaften, Presse und Universitäten.

Die US-Botschaft in Haiti hatte wenige Stunden vor Abschluss der Vereinbarung ihre Unterstützung für Präsident Martelly erklärt und die Führer der politischen Parteien aufgerufen, gemeinsam einen Ausweg aus der Krise zu finden. "Die Vereinigten Staaten werden weiterhin mit dem Präsidenten arbeiten, um die bedeutenden Fortschritte, die wir seit dem Erdbeben vom 12. Januar 2010 gemeinsam erreicht haben, zu sichern", heißt es in dem Kommuniqué der Botschaft.

Die Auflösung des Parlaments geschieht nur einen Tag nach dem Jahrestag des schweren Erdbebens im Jahr 2010, als in Haiti mehr als 300.000 Menschen ums Leben kamen und mehr als 1,5 Millionen obdachlos wurden. Heute leben noch immer fast 100.000 Menschen unter Bedingungen extremer Armut und großer Gesundheitsrisiken in Flüchtlingslagern.

Parlaments- und Regionalwahlen waren zuletzt für den 26. Oktober angesetzt worden, der Termin wurde jedoch wieder verschoben. Daraufhin kam es zu massiven Protesten, die im Dezember eskalierten, als haitianische Polizeikräfte und Mitglieder der UN-Mission MINUSTAH gewaltsam gegen Demonstranten vorgingen. Dabei gab es ein Todesopfer unter den Zivilisten und mehrere Verletzte.

Die radikale Opposition reagierte indes auf die Vereinbarung Martellys mit einigen Oppositionsparteien mit der Ankündigung, die Straßenproteste zu intensivieren, um ihn zum Rücktritt zu zwingen. Die Aktivisten kritisierten auch die Unterstützung der USA für die Regierungsführung des Präsidenten und werfen Washington und den Vereinten Nationen Einmischung in die internen haitianischen Angelegenheiten vor.