Venezuela / Politik / Soziales

Konflikt um Landenteignung in Venezuela

Kommune El Maizal soll Land an Großgrundbesitzer zurückgeben. Terrain war 2009 enteignet worden. Präsident Maduro fordert Aufhebung des Urteils

elmaizal.jpg

In der Sozialistischen Kommune El Maizal wird vor allem Mais angebaut
In der Sozialistischen Kommune El Maizal wird vor allem Mais angebaut

Caracas. Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (TSJ) des südamerikanischen Landes zugunsten von Großgrundbesitzern hat für massive Kritik sozialer und politischer Organisationen geführt. Kleinbauern sowie Aktivisten der chavistischen Bewegung in Venezuela haben eine Revision des Urteils gefordert. Am 3. November hatte der TSJ eine Urkunde aus dem Jahr 2009 für nichtig erklärt, mit der der damalige Präsident, Hugo Chávez, Brachland an Kleinbauern zur Bearbeitung übertragen hatte. Es geht dabei um 2.237 Hektar Land in den Bundesstaaten Lara und Portuguesa, das seitdem gemeinschaftlich bewirtschaftet wird. Insgesamt beteiligen sich 22 Kommunale Räte mit 7.500 Männern und Frauen an der "Sozialistischen Kommune El Maizal" und bauen erfolgreich vor allem Mais und Café sowie Hülsenfrüchte und Gemüse an. Derzeit ist der Bau einer Produktionsanlage für Maismehl geplant.

Der frühere Eigentümer hatte Beschwerde gegen die Enteignung erhoben und geltend gemacht, es habe sich nicht um Brachland gehandelt. Nach Angaben der Kleinbauern hat der TSJ dem nun mittels Formalien und "juristischer Spitzfindigkeiten" Recht gegeben: Das für Landverteilung zuständige Nationale Landinstitut (INTI) habe seinerzeit nicht ausreichend belegt, dass die Ländereien nicht genutzt wurden.

Die Bauern der Kommune sehen in dieser Entscheidung einen Bruch mit der Verfassung und dem Landgesetz. Im Artikel 307 der neuen venezolanischen Verfassung aus dem Jahr 1999 heißt es: "Der Großgrundbesitz steht im Widerspruch zum gesellschaftlichen Interesse." Brachflächen seien zu besteuern und die erforderlichen Bestimmungen einzuführen, um sie in produktive Wirtschaftseinheiten zu verwandeln und Ackerland wiederzugewinnen. Das entsprechende Gesetz über Land und Agrarentwicklung erließ Chávez im November 2001 per Dekret. Damit wurde der Großgrundbesitz beschränkt und ungenutzte Böden können seitdem vom Staat enteignet und an Kleinbauern zur Bearbeitung übergeben werden. Die durchführende Behörde ist das INTI.

Die Kommune El Maizal erinnert in einem offenen Brief "an das venezolanische Volk und Präsident Nicolás Maduro" an die Brisanz der Reform. Dieses Gesetz habe eine wichtige Rolle bei der Entscheidung der Oligarchie für den Putschversuch gegen Chávez im April 2002 spielte. Der Präsident des Interessensverbandes der Großgrundbesitzer (Fedenagas), José Luis Betancourt, hatte bei einer Pressekonferenz das Amtsblatt vom 13. November 2001 vor laufenden Kameras zerrissen, in dem es publiziert wurde – zusammen mit weiteren 48 Dekreten, darunter auch über die staatliche Kontrolle des Erdölunternehmens PDVSA. Der Fedenagas-Chef sprach von einer Kriegserklärung der Regierung an die Unternehmer. Diese seien jedoch bereit, ihr "Eigentum" zu verteidigen, drohte Betancourt.

Seitdem seien mehr als 200 Bauern von "Auftragsmördern dieser Großgrundbesitzer-Oligarchie" getötet worden, heißt es in dem Brief der Kommune weiter. Das Oberste Gericht habe in keinem dieser Mordfälle ermittelt.

Präsident Maduro reagierte auf die Proteste der Bauern und forderte den TSJ auf "diese unerhörte Entscheidung" zu korrigieren. Die Regierung bemühe sich darum, dass der  Landtitel für El Maizal wieder in Kraft gesetzt werde, versicherte er.

Am 17. Dezember wurde schließlich die Entscheidung der Verfassungskammer des Obersten Gerichtshofes veröffentlicht, das Urteil gegen die Kommune El Maizal vorläufig auszusetzen, bis seine Verfassungsmäßigkeit geprüft wurde. Bis dahin bleibe das Recht der Kommune zur Nutzung und gemeinschaftlichen Bearbeitung der Ländereien bestehen.

Die Kommune El Maizal sprach von einem" vorläufigen Sieg", richtete sich jedoch zugleich mit einer Warnung an das Parlament. Derzeit werden in Venezuela die Mitglieder des Obersten Gerichts von der Nationalversammlung bestimmt. Einige der Kammerrichter, die den Landtitel widerrufen hatten, kandidierten jetzt für die höchsten Ämter in der Gerichtsbarkeit des Landes, so die Kommunarden. Sie zu wählen bedeute nicht nur, "das Erbe von Hugo Chávez zu beschmutzen", sondern auch,  "die hunderte Bauern zu verhöhnen, die im Kampf um das Land getötet wurden". Solche Personen könnten nicht Teil des Justizsystems sein, das laut Verfassung den Auftrag habe, "den Staat des Rechts und der Gerechtigkeit" zu errichten.