Legalisierung von Abtreibungen erneut in der Debatte

Nach wie vor restriktive Gesetzeslage zu Schwangerschaftsabbrüchen in vielen Ländern Lateinamerikas. Diskussion um Reformen in Argentinien und Chile

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Frauen überall in Lateinamerika fordern "Sichere Abtreibung"
Frauen überall in Lateinamerika fordern "Sichere Abtreibung"

Buenos Aires/Santiago. In Argentinien und Chile wird erneut über eine mögliche Legalisierung von Abtreibungen debattiert. In Argentinien steht ein prinzipielles Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch im Mittelpunkt, während In Chile die Entkriminalisierung eines Abbruchs unter bestimmten Voraussetzungen diskutiert wird. Dabei geht es um Schwangerschaft durch Vergewaltigung und Missbrauch oder die Gefährdung des Lebens beziehungsweise der Gesundheit der Mutter

In Argentinien wurde bereits zum fünften Mal ein Gesetzentwurf zum freiwilligen Abbruch einer Schwangerschaft im Kongress auf die Agenda gesetzt, der diesmal von 69 Abgeordneten aus allen Parteiblöcken eingebracht wurde. In der fünfstündigen Debatte wurden politische, religiöse und rechtliche Argumente ausgetauscht, wobei die Lager relativ klar voneinander abzugrenzen sind. Auf der einen Seite gibt es die sogenannten "pro-vida"-Stimmen des religiösen Fundamentalismus, die darauf dringen die Menschenrechte nicht überzuinterpretieren und das Recht des Kindes auf Leben zu respektieren. Auf der anderen Seite die Verfechter legaler Abtreibungen, die vor allem die mächtige Position der Kirche anprangern und sie auffordern, "sich bei allen Frauen für das zu entschuldigen, was sie ihnen angetan hat", so Araceli Ferreyra von der Front für den Sieg (FPV). Tausende Frauen sterben jährlich an den Folgen heimlicher Abtreibungen, dieser Realität müsse man sich umgehend und verantwortungsbewusst stellen und dürfe die Frauen mit dem Problem nicht allein lassen, so Leonardo Grosso, ebenfalls von der FPV.

Bereits vor über zwei Jahren hatte Argentiniens Oberster Gerichtshof einstimmig geurteilt, dass Schwangerschaftsabbrüche nach Vergewaltigungen und Missbrauch nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden dürfen (amerika21 berichtete). Dies sei unter Berücksichtigung der argentinischen Verfassung und der Menschenrechte gar nicht anders zu entscheiden, hieß es damals in der Begründung. In allen anderen Fällen ist laut Strafgesetzbuch Abtreibung in Argentinien weiterhin ein "Verbrechen gegen das Leben", es sei denn es besteht Gefahr für Leben oder Gesundheit der Mutter.

In Chile dagegen hat der Fall eines 13-jährigen Mädchens das Thema wieder in die Öffentlichkeit gebracht. Das Mädchen war sexuell missbraucht worden und in der 39. Woche mit einem nicht lebensfähigen Fötus schwanger, woraufhin Abgeordnete des regierenden Wahlbündnisses Nueva Mayoría eine neuen Versuch für ein Gesetz zu legalem Schwangerschaftsabbruch unter bestimmten Umständen machten. Nach Angaben des Nachrichtenportals Nodal will die Gesundheitsministerin, Helia Molina, noch im Dezember einen Gesetzentwurf vorlegen, mit dem Abtreibungen nach Vergewaltigungen und Missbrauch, bei Nichtlebensfähigkeit des Fötus und bei Risiken für das Leben der Mutter erlaubt werden sollen. Auch Präsidentin Michelle Bachelet will das Thema vorantreiben: "Als Frau, als Ärztin und als Direktorin der UN-Frauenorganisation, bin ich schon immer der Meinung, dass wir Frauen in allen Bereichen des Lebens Rechte haben. Das ist meine persönliche Meinung. Wir sind dabei, ein mögliches Gesetz zu analysieren."

In den meisten lateinamerikanischen Ländern herrschen bis heute extrem restriktive Abtreibungsgesetze. In vielen Staaten wie El Salvador und Nicaragua sind Abtreibungen auch nach Vergewaltigungen und bei einer nachgewiesenen Gefahr für das Leben der Mutter nicht erlaubt. Ausnahmen bilden Kuba, Guayana und das französische Überseedépartement Französisch-Guayana. In Uruguay konnte die regierende Frente Amplio mit Präsident José Mujica im Jahr 2012 die Legalisierung der Abtreibung in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft durchsetzen.

Nach Informationen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterziehen sich schätzungsweise jährlich rund 200.000 Frauen in Lateinamerika und der Karibik einer Abtreibung. Die Mehrheit von ihnen begibt sich dabei in große Gefahr, da die meisten Abtreibungen illegal stattfinden müssen. Jährlich sterben daher rund 6.000 Frauen in der Region an den Folgen. Die Liberalisierung der lateinamerikanischen Abtreibungsgesetze könnte demnach dem Tod tausender Frauen vorbeugen und medizinisch sichere Abtreibungen und gute Nachsorge möglich machen.