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Henry Kissinger wollte 1976 Kuba angreifen

Ehemaliger Außenminister ließ Bombenangriffe und das Verminen kubanischer Häfen planen. Geheimpapier von 1962 über mögliche Interventionen

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Angolas Präsident (1975-1979) Agostino Neto und Kubas Revolutionsführer Fidel Castro
Angolas Präsident (1975-1979) Agostino Neto und Kubas Revolutionsführer Fidel Castro

Washington. Im Rahmen eines Forschungsprojektes in den USA sind nun Dokumente publik geworden, die belegen, dass der langjährige US-Außenpolitiker Henry Kissinger noch im Jahr 1976 konkrete Angriffspläne gegen Kuba verfolgte.

Die Dokumente sind im Internet sowie in dem Buch "Back Channel to Cuba" zugänglich. Dieses Buch wurde vor wenigen Tagen von zwei führenden US-amerikanischen Kuba-Experten veröffentlicht, dem Professor für Regierungslehre an der American University, William LeoGrande und dem Direktor des "Kuba-Dokumentationsprojekts" an der George-Washington-Universität, Peter Kornbluh. In dem Buch werden diverse geheime Gespräche zwischen der kubanischen und der US-Regierung beschrieben. In diesem Zusammenhang decken die Autoren auch die Angriffspläne Kissingers auf.

Das Forschungsprojekt "National Security Archive", an dem Kornbluh führend beteiligt ist, hatte Zugriff auf bisher geheime Dokumente der Regierung von US-Präsident Gerald Ford (1974-1977). Demnach hat der damalige Außenminister der USA, Henry Kissinger, entsprechende Planungen für militärische Operationen angeordnet, nachdem Kubas Präsident Fidel Castro ein Jahr zuvor in den Bürgerkrieg in Angola eingegriffen hatte, um der gewählten Regierung gegen bewaffnete Banden und das Apartheid-Regime in Südafrika beizustehen. Die Pläne umfassten Luftangriffe und das Verminen kubanischer Häfen. "Ich denke, wir werden Castro schlagen müssen", soll Kissinger zu Ford 1976 bei einem Treffen im Oval Office gesagt haben. Die Angriffspläne für das Jahr 1977 seien erst durch den Wahlsieg von Jimmy Carter am 2. November 1976 gestoppt worden.

Die Enthüllungen könnten nun auch auf eine aktuelle Debatte in Deutschland Auswirkungen haben: Im Mai 2013 hatte die Universität Bonn bekannt gegeben, dass eine "Henry-Kissinger-Professur für Internationale Beziehungen und Völkerrechtsordnung" eingerichtet werden soll. Sie wird vor allem vom Bundesministerium für Verteidigung finanziert, das den "großartigen Staatsmann" und "brillanten Wissenschaftler" damit anlässlich seines 90. Geburtstags im Mai 2013 ehren wollte. Dagegen gibt es vehemente Proteste, denn Kissinger hat als Nationaler Sicherheitsberater (1969-1973) und Außenminister (1973-1977) nicht nur für Entspannung im Kalten Krieg und im Nahost-Konflikt gesorgt, sondern auch den Militärputsch in Chile (1973) maßgeblich unterstützt sowie die Bombardierung der neutralen Staaten Laos und Kambodscha im Vietnamkrieg forciert. Er wird außerdem mit den Mordaktionen der argentinischen Militärjunta in Verbindung gebracht, die das Land von 1976 bis 1983 regierte.

"Dass ein Lehrstuhl nach Kissinger benannt wird, finde ich merkwürdig. Noch merkwürdiger finde ich allerdings, dass dieser vom Verteidigungsministerium finanziert wird", sagte der renommierte deutsch-französische Politikwissenschaftler Alfred Grosser. "Ich halte Kissinger für einen Kriegsverbrecher", ergänzte er.

Die Proteste zahlreicher Wissenschaftler, Studierender und Intellektueller hat bislang weder bei der Universitätsleitung noch beim Verteidigungsministerium ein Umdenken bewirkt. Einzig der Fachtitel wurde verändert in "Governance und internationale Sicherheit". In diesem Monat tritt der frühere stellvertretende US-Botschafter in der BRD, James D. Bindenagel, der sich offensiv in deutsche Militärbelange einmischte und weder Promotion noch Habilitation hat, diese "Professur" an.

Kürzlich wurde außerdem ein Memorandum vom März 1962 zugänglich, das der US-Generalstab an Verteidigungsminister Robert McNamara gesendet hatte. Unter dem Titel "Rechtfertigung für U.S. Militärintervention gegen Kuba" wurden mögliche Eskalationsstufen für Attacken gegen Kuba vorgeschlagen, die mit wachsenden Spannungen beginnen und durch gezielte manipulierte Provokationen die „Weltmeinung“ und die Vereinten Nationen dergestalt beeinflussen sollten, dass das "Image der kubanischen Regierung als unverantwortlich" und als eine "alarmierende und unvorhersehbare Bedrohung des Friedens in der Region" entstehen solle – woraufhin die USA mit internationalem Segen angreifen könnten.