Schicksal von Verschwundenen bewegt Mexiko

Großer Protestzug von Angehörigen in Mexiko-Stadt. 26.000 Menschen verschwunden. Staat unternimmt nur wenig. Täglich werden 50 Personen ermordet

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Tausende Menschen versammelten sich im Zentrum von Mexiko-Stadt um Aufklärung einzufordern über das Schicksal von verschwundenen Angehörigen
Tausende Menschen versammelten sich im Zentrum von Mexiko-Stadt um Aufklärung einzufordern über das Schicksal von verschwundenen Angehörigen

Mexiko-Stadt. Familienangehörige von Verschwundenen sind am Samstag, dem in Mexiko begangenen Muttertag, in einem Demonstrationszug durch Mexiko-Stadt gezogen. Sie forderten in Sprechchören vom Staat "Wahrheit und Gerechtigkeit" sowie die Suche nach den über 26.000 Menschen jeden Alters, die in Mexiko Opfer des Verschwindenlassens geworden sind. Bereits zum dritten Mal haben Aktivisten der Angehörigenorganisation "Vereinigte Kräfte für unsere Verschwundenen in Mexiko" (Fuundem) und zahlreiche weitere Organisationen aus dem ganzen Land zu diesem nationalen Protestzug mobilisiert. Auch Familienangehörige aus El Salvador, Honduras und Guatemala unterstützten dieses Anliegen während der Veranstaltung am zentralen "Denkmal für die Mutter" und am "Engel der Unabhängigkeit". Das "Regionale Netzwerk Gerechtigkeit und Würde für Migranten" hat indes 344 Fälle von verschwundenen Migranten detailliert dokumentiert. Sowohl im Fall der mexikanischen Opfer als auch bei verschwundenen Migranten liegt die Dunkelziffer mutmaßlich weitaus höher.

Während der Muttertag als einer der wichtigsten nationalen Familienfeiertage in Mexiko gefeiert wird, verwiesen die Demonstranten auf die tausenden von Familien, deren Angehörige verschwunden sind. Bislang zeichnete sich unter der Regierung von Präsident Enrique Peña Nieto kein politischer Wille ab, die Fälle des Verschwindenlassens aufzuklären, hieß es von ihrer Seite. Weder die zugesagten Sondereinheiten für die Suche nach Opfern von gewaltsamem Verschwindenlassen noch das angekündigte "Nationale Register für Verschwundene" sind bislang umgesetzt worden. Auch wurde auf nationaler Ebene kein Gesetz gegen gewaltsames Verschwindenlassen verabschiedet. Zwar bestehen in 19 der 32 Bundesstaaten – einschließlich dem Hauptstadtdistrikt – entsprechende Gesetze. Allerdings entsprechen diese nicht international geltenden Rechtsnormen.

Der Handlungsbedarf bleibt hoch. Erst vor wenigen Tagen hat das Innenministerium bestätigt, dass im Landesdurchschnitt täglich 50 Menschen ermordet werden. In den Bundesstaaten Michoacán und Guerrero sei die Mordrate gar dreimal so hoch wie im Landesdurchschnitt. Unabhängig von der Schwere der Verbrechen können die Täter mit Straffreiheit rechnen. Über 98 Prozent aller Verbrechen in Mexiko werden nicht aufgeklärt. Davon profitieren auch Polizei und Militär, die an diesen Delikten beteiligt sind.

Erst im März hat die Regierung von Präsident Enrique Peña Nieto den Staatenbericht Mexikos an den Ausschuss der Vereinten Nationen gegen gewaltsames Verschwindenlassen übergeben. Demzufolge hat die Generalstaatsanwaltschaft zwischen den Jahren 2006 und 2013 nur 99 Vorermittlungen wegen gewaltsamen Verschwindenlassens durchgeführt. In demselben Bericht bestätigt die mexikanische Regierung, dass in solchen Fällen nur sechs Urteile gefällt worden.