USA lehnen Klage gegen DaimlerChrysler ab

Angehörige von Mercedes-Opfern in Argentinien hatten geklagt. Der Oberste Gerichtshof in Washington ändert Position nach Druck von Unternehmen

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Gebäude des Obersten Gerichtshofs der USA
Gebäude des Obersten Gerichtshofs der USA

Buenos Aires. Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten hat einem untergeordneten Richterkollegium im Bundesstaat Kalifornien die Eröffnung eines Verfahrens gegen den deutschen Autobauer DaimlerChrysler verboten. Die für Beobachter überraschende Entscheidung ist ein Rückschlag für die Hinterbliebenen verschwundener Mercedes-Betriebsräte im südamerikanischen Argentinien. Sie hatten bereits vor zehn Jahren in den USA Klage gegen DaimlerChrysler eingereicht.

Während der Militärdiktatur (1976-83) habe Mercedes-Benz seine unbequemen Betriebsräte den Sicherheitsorganen gegenüber als "Agitatoren" denunziert. Diese wurden daraufhin verschleppt, gefoltert und ermordet, so die Kläger. Laut Aussagen der Manager konnte die Produktivität von 30 auf 100 Prozent gesteigert werden. In fünf Fällen sollen Manager auch Babys, die in Folterzentren geboren wurden, erhalten und als eigene Kinder aufgezogen haben.

Die Strafverfahren gegen Manager von Mercedes-Benz wurden in Deutschland nicht eröffnet und in Argentinien sind die 2002 eingeleiteten Verfahren bei Gericht eingeschlafen. Das Zivilverfahren in Kalifornien war für die Familienangehörigen der ermordeten Gewerkschafter die letzte Hoffnung auf Gerechtigkeit.

2010 hatte sich das Berufungsgericht in San Francisco für zuständig erklärt. Da Daimler im US-Bundesstaat Kalifornien tätig ist, sei das Unternehmen auch der dortigen Gerichtsbarkeit unterworfen, so die Argumentation. Die Richter stützten sich dabei auf das kalifornische Long Arm Statute, das herangezogen wird, um Steuerflüchtlinge im Ausland aufzuspüren oder Firmen zu bestrafen, die die US-Blockade gegen Kuba verletzen.

Schon im Vorfeld der Verhandlung hatte die Unternehmerseite den Druck auf die US-Justiz erhöht. Beim Obersten Gerichtshof gingen unzählige sogenannte Amicus-Curiae-Statements ein, eine Art externer Gutachten von Fürsprechern der Beklagten bzw. der Kläger. Zu Wort meldeten sich die Automobile Manufacturers Inc., die Association of Global Automakers, die European Banking Federation, der Bundesverband der Deutschen Industrie, die Schweizer Bankiervereinigung und andere. Die Freunde von DaimlerChrysler drohten: Wird das Baumann-Urteil bestätigt, könnten die Steuereinnahmen um 14 Prozent sinken, weil ausländische Investoren ihr Kapital abziehen würden.

Die Regierung von Präsident Barack Obama, die im Fall Kiobel – wegen Teilnahme des Erdölkonzerns Shell an Mordkommandos in Nigeria – auf Seiten der Opfer stand und für die Eröffnung eines Prozesses vor einem US-Gericht plädiert hatte, entschied bei Daimler anders. Dabei spielte offenbar auch das derzeit verhandelte Freihandelsabkommen zwischen den USA und Europa eine Rolle. Am Ende reichte selbst das US-Finanzministerium einen Amicus-Brief für Daimler ein.

Am 15. Oktober 2013 befasste sich der Oberste Gerichtshof der USA mit dem Fall. Zur Überraschung vieler Beobachter machte man es dem Konzern nicht leicht. Der Vorsitzende Richter John Roberts wies darauf hin, dass kein Artikel der US-Verfassung einem Bundesstaat verbietet, eine lokale Niederlassung für Handlungen des Mutterhauses verantwortlich zu machen: "Wenn Kalifornien sagt, wir nehmen den Fall an, worin besteht das verfassungsrechtliche Problem?" Auch für Richter Stephen Breyer verletze ein Bundesstaat nicht die Verfassung, wenn er die Zuständigkeit seiner Gerichte auf die Niederlassung oder das ausländische Mutterhaus ausweitet.

Drei Monate später hatten die Obersten Richter ihre Meinung geändert und hoben das Urteil aus Kalifornien auf. Auf mehrere bei der Anhörung erörterte Punkte – wie die richterliche Unabhängigkeit – ging das Gericht nicht mehr ein. Selbst wenn Mercedes-Benz USA in Kalifornien "zu Hause" wäre und von der Konzernzentrale in Stuttgart abhänge, sei der Konzern nicht der allgemeinen kalifornischen Gerichtsbarkeit unterworfen, hieß es nun. Eine Eröffnung wäre ein negatives Signal an "ausländische Investoren".