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Umstrittene Energiereform in Mexiko verabschiedet

Verfassungsänderung ermöglicht Privatisierung im Energiesektor. Massive Proteste während Debatte und Abstimmung

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Protestplakat gegen die Energiereform: "Stop – PEMEX wird nicht verkauft"
Protestplakat gegen die Energiereform: "Stop – PEMEX wird nicht verkauft"

Mexiko-Stadt. Die ständige Kommission des mexikanischen Kongresses hat am Mittwoch eine in der Bevölkerung umstrittene Energiereform für verfassungsgemäß erklärt. Zuvor hatten der Senat und die Abgeordnetenkammer die Reform mit deutlichen Mehrheiten verabschiedet. Mit ihrem Inkrafttreten soll die angeschlagene mexikanische Erdöl- und Erdgasindustrie modernisiert werden. Die zuvor staatlich regulierte Produktion von Erdöl und Erdgas wird fortan größtenteils über private transnationale Wirtschaftsakteure verlaufen. Damit erhofft sich die Mehrheit der politischen und wirtschaftlichen Klasse eine bessere Konkurrenzfähigkeit Mexikos. Die nun angestrebten ausländischen Direktinvestitionen sollen das Bruttoinlandsprodukt nach oben schrauben: Bis zum Jahr 2018 wird jährlich ein Prozent Wachstum vorausgesagt, bis 2025 jährliche 1,6 Prozent.

Auf internationaler Ebene, vor allem in den USA als Hauptabnehmer für das mexikanische Rohöl, wird die Umstrukturierung begrüßt. Die Reform bedeutet auch, dass die USA nach 75 Jahren wieder über direkten Zugriff und Kontrolle über die mexikanischen Ölreserven verfügen können. Deren Wert wird aktuell auf knapp drei Billionen US-Dollar geschätzt.

Im vergangenen August hatte Präsident Enrique Peña Nieto von der Partei der Institutionellen Revolution (PRI) den Gesetzentwurf zur Reformierung des Energiesektors präsentiert. Die nun verabschiedete Fassung ist eine Mischung aus der Präsidentenvorlage und einer Gesetzesinitiative, welche die Partei der Nationalen Aktion (PAN) einreichte.

Die brisanten Stellen der Reform betreffen die Artikel 25, 27 und 28 der mexikanischen Verfassung. Garantierte der Artikel 27 PEMEX bisher das alleinige Recht in der Erdölausbeutung, ist das Exklusivrecht in der neuen Fassung nicht mehr vorhanden. Auch ausländische Erdölfirmen können in den mexikanischen Energiesektor investieren. Artikel 25 wiederum transformiert die beiden halbstaatlichen Unternehmen in sogenannte produktive öffentliche Akteure des Fiskus. Hierbei sieht die Änderung (Übergangsartikel 6) vor, dass PEMEX innerhalb der nächsten 60 Tagen seine Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit beweisen muss. Dies soll entweder über das Erforschen neuer potentieller Erdölfelder erfolgen oder über kostengünstige Ausbeutungsmodelle. Wird dies hingegen nicht erreicht, soll PEMEX mit ausländischen Erdölfirmen gleichgestellt werden.

Über die Lizenz- und Konzessionsvergabe zur Erforschung und Ausbeutung von Erdölfeldern wird in Zukunft die Nationale Kommission der fossilen Brennstoffe (Comisión Nacional de Hidrocarburos) entscheiden. Eine bisher eher unscheinbare und wenig einflussreiche Institution, die nun mit Verfassungsrang geadelt wird und von PEMEX alle geologischen und geophysischen Informationen sowie dessen Infrastruktur ausgehändigt bekommt.

Nach Auffassung von Kritikern der Reform werden durch den Rückzug des Staates aus dem Energiesektor zukünftig Steuereinnahmen fehlen, die bisher in staatliche Sozialprogramme und in die Bereiche Gesundheit, Bildung und Dienstleistungen geflossen sind. In dem einzigen lateinamerikanischen Land, in dem laut der UN-Einrichtung CEPAL die Armutsstatistiken im letzten Jahr um eine Million Menschen angestiegen sind, könnte sich diese Situation weiter verschärfen.

Während der Debatte und anschließenden Abstimmung kam es zu massiven Protesten. Sowohl um den Senat als auch um die Abgeordnetenkammer herum trennten meterhohe Metallzäune die Demonstrierenden von ihren gewählten Repräsentanten. In der Nacht vom 10. auf den 11. Dezember trommelten die Menschen mit Schüsseln, Steinen und Skateboards gegen den Wall vor dem Senat. Am darauf folgenden Tag gelang es Gewerkschaftern, einen Teil der Trennwand vor der Abgeordnetenkammer niederzureißen. Sogleich füllten anrückende Polizisten das Loch und es kam zu Zusammenstößen. Eine weitere Demonstration wurde am vergangenen Freitag auf einer der Hauptverkehrsstraßen in Mexiko-Stadt abgehalten. Anlass war die 66-prozentige Erhöhung der Metrotickets und die Reformierung des Energiesektors.