Proteste am brasilianischen Unabhängigkeitstag

Landesweite Demonstrationen. Zahlreiche Verletzte und Festnahmen

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Tausende beteiligten sich am "Aufschrei der Ausgeschlossenen"
Tausende beteiligten sich am "Aufschrei der Ausgeschlossenen"

São Paulo. In Brasilien haben am vergangenen Samstag, dem brasilianischen Unabhängigkeitstag, zahlreiche Demonstrationen gegen soziale Ausgrenzung stattgefunden. In fast allen großen Städten des Landes folgten Tausende dem Aufruf des traditionellen "Grito dos Excluídos" (Aufschrei der Ausgeschlossenen) der dieses Jahr unter dem Motto stand: "Die Jugend, die den Kampf wagt, wird das Volksprojekt aufbauen". Seit 1995 findet der von sozialen Bewegungen, kirchlichen Gruppen und Gewerkschaften organisierte Protestmarsch zeitgleich zu den offiziellen Unabhängigkeitsparaden statt. In São Paulo, fand laut dem zivilgesellschaftlichen Netzwerk Rede Brasil Atual mit 8.000 Teilnehmern die größte Demonstration statt. Die Demonstration thematisierte vor allem die Morde an schwarzen Jugendlichen durch Polizeikräfte in den Vororten der Großstädte. Auf Zustimmung bei den Teilnehmern und Rednern stieß das von der Regierung initiierte und von rechten Kreisen scharf kritisierte "Mais Médicos"-Programm, durch welches tausende kubanische Ärzte in medizinisch unterversorgte Regionen Brasiliens kommen.

Nach den traditionell vormittags stattfindenden Grito dos Excluídos-Märschen gingen die Proteste am Nachmittag des Unabhängigkeitstags in fast allen großen Städten Brasiliens weiter. São Paulo erlebte die schwersten Auseinandersetzungen seit den Massenprotesten im Juni. Wie die Tageszeitung Folha de São Paulo berichtete, zogen rund 800 Teilnehmer, darunter eine große Anzahl von vermummten und schwarzgekleideten Demonstranten die zentrale Allee Avenida Paulista entlang, um gegen Gouverneur Geraldo Alckmin und die Polizeigewalt zu demonstrieren. Als der Protestzug das Rathaus erreichte, griffen Kräfte der Militärpolizei die Demonstranten an. Ein 19-Jähriger Demonstrant und Mitarbeiter der unabhängigen Mediengruppe Basta TV wurde dabei von einer Tränengaspatrone am Auge getroffen und erblindete. Mindestens ein Polizist setzte scharfe Munition ein und verletzte den Fotografen Tércio Teixeira mit einem Streifschuss am Kinn, wie das Medienkollektiv Mídia Ninja berichtete. Mehr als 20 Personen wurden im Laufe des Tages festgenommen.

Auch in der Hauptstadt Brasília kam es zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten, als diese versuchten den Sitz des Medienikonzerns TV Globo zu besetzen. Mindestens 50 Personen wurden nach Polizeiangaben festgenommen.

Wie schon im Juni gingen am Samstag auch rechtsgerichtete und konservative Demonstranten auf die Straße. In São Paulo zogen vereinzelte, mit brasilianischen Fahnen bestückte Personen durch die Innenstadt und forderten neben der Bekämpfung der Korruption auch die Rückkehr der Militärdiktatur. Auf der offiziellen Militärparade in Rio de Janeiro präsentierten einige Schilder mit Aufdrucken wie: "Militärintervention jetzt –Brasilien fordert Ordnung und Fortschritt". Zahlenmäßig blieben sie den linken Demonstranten jedoch weit unterlegen.

Insgesamt beteiligten sich weniger Menschen als erwartet an den Protesten am Unabhängigkeitstag.

Das für Brasilien relativ neue Phänomen des "Schwarzen Blocks" war auch auf den Demonstrationen am Samstag erneut zu beobachten. Vor allem in São Paulo und Rio de Janeiro zogen Hunderte Vermummte durch die Straßen. Die Bewegung, die sich vorwiegend in sozialen Netzwerken im Internet organisiert, steht seit Wochen im Fokus der medialen Öffentlichkeit. Der Schwarze Block versteht sich selbst als "antikapitalistische und führerlose Bewegung", die versucht sich mit teils auch gewaltsamen Methoden der Polizeigewalt zu widersetzen. Als Reaktion auf das Aufkommen des Schwarzen Blocks erließ die Stadt Rio de Janeiro ein Gesetz, welches die Maskierung unter Strafe stellt. Auf den Demonstrationen am Samstag wurde das neue Gesetz bereits angewendet und mehrere Demonstranten wurden aufgrund von Verstößen gegen das neuerlassene Vermummungsverbot festgenommen.