Onlineproteste gegen Haftanstalt in Guantánamo

Anonymous-Aktion führt zur Abschaltung von W-LAN und sozialen Netzwerken in US-Stützpunkt Guantánamo Bay auf Kuba. Hungerstreik dauert an

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Logo der Operation Guantánamo #GTMO17
Logo der Operation Guantánamo #GTMO17

Guantánamo/Washington. Um den Druck auf die Regierung von US-Präsident Barack Obama nach über 100 Tagen Hungerstreik im Gefangenenlager Guantánamo zu erhöhen, hat die

Online-Community "Anonymous" seit vergangenem Freitag zu Solidaritätsaktionen aufgerufen.

Vor allem über soziale Netzwerke wie Twitter soll eine breite Öffentlichkeit für das Thema sensibilisiert werden. Unter dem Account "Operation Guantánamo" wurden im Abstand von wenigen Sekunden Nachrichten geteilt, die sich mit dem Gefangenenlager oder einzelnen Gefangenen beschäftigen. Auch direkte Aufforderungen an das Weiße Haus und Präsident Obama wie: "Halten Sie Ihr Versprechen, Guantánamo zu schließen!" überschwemmten das Netz und die US-Behörden. Bereits kurz nach Beginn der Aktion war der Tag #GTMO17 an der Spitze der weltweiten Twittertrends. Zudem fand am Freitag eine Demonstration vor dem Weißen Haus statt, die, neben zahlreichen kleineren Protesten vor Botschaften und Regierungsgebäuden, der Forderung nach sofortiger Schließung des Gefangenenlagers und Beendigung der Zwangsernährung von mittlerweile 30 Inhaftierten Nachdruck verleihen sollte.

Mittlerweile werden in unterschiedlichen Medien kritische Stimmen zu Obama immer lauter, so unter anderem in einem Artikel der britischen Tageszeitung  Guardian mit dem Titel: "Das ist nicht der Präsident Obama, den wir gewählt haben". Autorin Heather Long weist darin nicht nur auf die mangelnde Handlungsbereitschaft in Bezug auf Guantánamo hin, sondern stellt auch kritische Fragen zur Drohnenpolitik und Abhöraktionen seitens der US-Regierung. Entgegen aller Hoffnungen auf Veränderung bei der Amtsübernahme von Obama sieht Long mittlerweile eine direkte Verbindung zwischen der Vorgängerregierung unter George W. Bush sowie der Obama-Führung. Stellvertretend für viele Jungwähler in den USA verleiht sie ihrer Enttäuschung über diese Kontinuität Ausdruck.

Der Rechtsanwalt Clive Stafford Smith, der Shaker Aamer und andere Gefangene in Guantánamo vertritt, sieht mittlerweile nur noch eine Möglichkeit, den Hungerstreik zu beenden: Alle 86 bereits freigesprochenen Gefangenen müssten unverzüglich freigelassen und allen anderen eine faire Gerichtsverhandlung ermöglicht werden. Auf Nachfragen des russischen Mediensenders Russia Today, ob es für die US-Regierung nicht riskant wäre, Shaker Aamer nach elf Jahren Haft zu entlassen, weil er jetzt radikalisiert sein könnte, antwortete Smith: "Zu argumentieren, man könne Unschuldige elf Jahre lang einsperren, sie misshandeln, um dann zu sagen, wir können sie nicht freilassen, weil sie uns jetzt eventuell hassen könnten, ist einfach pervers", so Smith weiter.

Indessen scheint ein erstes Ziel von "Anonymous" erreicht zu sein: Wie die Nachrichtenagentur AP am Dienstagmorgen berichtete, ist derzeit die Nutzung von W-LAN sowie von sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook auf dem Militärstützpunkt in Guantánamo abgeschaltet. Nach Angaben der Gefängnisverwaltung sei dies vorerst nur eine Vorsichtsmaßnahme, bisher wurden keine Cyberattacken gemeldet. "Anonymous" hatte angekündigt, offizielle Stellen mit Tweets, Mails, Faxen und Anrufen zu "überfluten" um diese zu zwingen, sich mit dem Thema auseinander zu setzen und eine Entscheidung herbei zu führen.

Erste offizielle Informationen zu den Plänen für Guantánamo könnte es am Donnerstag geben. Dann soll Präsident Obama in der National Defense University (NDU) eine Rede zum Thema "Antiterrorismus" halten, in der neben Informationen zur Drohnenpolitik auch Aussagen zur Vorgehensweise in Guantánamo Bay erwartet werden.