Chile / Politik

Bachelet eröffnet Präsidentschaftswahlkampf in Chile

Chiles Ex-Präsidentin Michelle Bachelet stellt sich zur Wahl. Große Ungleichheit wird Wahlkampfthema

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Bachelet will Ungleichheit bekämpfen
Bachelet will Ungleichheit bekämpfen

Santiago de Chile. Die lange vorbereitete Rückkehr von Michelle Bachelet in ihre Heimat war gut in Szene gesetzt. Wie einen Rockstar empfingen jubelnde Anhänger die Ex-Präsidentin vergangene Woche auf dem Hauptstadt-Flughafen. "Ich habe die Entscheidung getroffen, Kandidatin zu sein", sagte die Tochter des ehemaligen Luftwaffengenerals Alberto Bachelet, einem Anhänger der sozialistischen Regierung von Salvador Allende, auf einer Ausstellung über ihre erste Amtszeit von 2006 bis 2010. Mit ihrer Kandidatur für die November-Wahlen ist Bachelets dreijährige Innenpolitik-Zwangspause beendet. Der Wahlkampf gilt inoffiziell bereits als eingeläutet. 2010 hatte die Verfassung der ersten Präsidentin in La Moneda keine Wiederwahl erlaubt. In Washington leitete die erklärte Feministin derweil die Frauenorganisation der Vereinten Nationen, UN Women.

Jetzt wagt Bachelet erneut einen Sprung auf die Politbühne, und das mit guten Aussichten. In allen Umfragen gilt die Kinderärztin als klare Favoritin. 53 Prozent würden für die dreifache Mutter stimmen. Wegen der Verfolgung ihrer Familie zu Diktaturzeiten gilt die 61-Jährige Sozialdemokratin noch immer als integer und glaubwürdig. Bachelets erstes Mandat endete mit Beliebtheitswerten um die 80 Prozent. Die beliebteste chilenische Politikerin aller Zeiten ist kein Kind der mächtigen Unternehmer-Clique. Diese stand lange stramm hinter der Pinochet-Diktatur. Bis heute verteidigt der chilenische Geldadel die mit eiserner Hand durchgesetzte Politik von Marktöffnung und Privatisierung.

Dabei brodelt es in Chiles Gesellschaft. Studentendemos gegen das ungerechte Bildungssystem, der schwelende Mapuche-Konflikt um Land und Selbstbestimmung, Proteste gegen Kohlekraftwerke, steigende Kosten von Energie, Gesundheit und Lebenshaltung. Zunehmend brechen neue Konflikte auf. Auf dem Papier steht die Wirtschaft unter der technokratischen Regierung des Milliardärs und Unternehmer-Präsidenten Sebastian Piñera zwar gut da. Sechs Prozent wuchs Chiles Bruttoinlandsprodukt 2012 und die Inflation liegt bei 1,5 Prozent. Auch die Arbeitslosigkeit ist mit sechs Prozent moderat. Doch kommt der dank hoher Rohstoff-Weltmarktpreise entstandene Wohlstand bei vielen nicht an: Das soziale Gefüge krankt an der zum Himmel schreienden Ungleichheit.

Aufhorchen lässt eine jüngst veröffentlichte Studie über Chiles Superreiche. Der renommierten Universidad de Chile zufolge gehört die Mehrzahl aller Unternehmen "1 Prozent, 0,1 Prozent oder 0,01 Prozent der reichsten Bevölkerung". 81 Prozent der Chilenen müssen mit durchschnittlich 338 US-Dollar im Monat auskommen. Den "Löwenanteil der Einkommen" streicht mit 30 Prozent das reichste Prozent ein. 17 Prozent nehmen 0,1 Prozent der Reichsten mit nach Hause. Zehn Prozent gehen aufs Konto von 0,01 Prozent der Bevölkerung. Chile wird die "höchste Ungleichverteilung im internationalen Vergleich" attestiert, Kapitalgewinne und Betriebsmittel nicht mitgerechnet. 1.200 Superreiche, so die Auswertung von Steuerdaten, verdienen im Monat fast 900.000 US-Dollar: "Fast das 3.000-fache des Durchschnittseinkommens."

Bachelets Gegner wollen Misserfolge der ersten Amtszeit in Stellung bringen: "Sie wissen nicht wie Ungleichheit zu bekämpfen ist", versucht Laurence Golborne die breite Parteien-Unzufriedenheit auf die beliebte Linkspolitikerin umzulenken. Bei den Vorwahlen Ende Juni tritt der Kandidat des Piñera-Regierungsbündnisses "Koalition für den Wandel" trotz Parteilosigkeit für die rechtskonservative Partei "Unabhängige Demokratische Union" (UDI) an. Gegenkandidat des Multimillionärs ist Andrés Allamand, Ex-Verteidigungsminister vom Koalitionspartner "Nationale Erneuerung" (RN). Mit mutigen Worten hat die Rückkehrerin ihre politischen Gegner in die Wahlkampfarena gezerrt. Sie stehe bereit für "die erste Regierung einer neuen gesellschaftlichen Mehrheit, die den Kampf gegen die Ungleichheit ermöglicht". Auch wenn die 61-Jährige noch kein Wahlprogramm hat - zum Ärger der "Sozialistischen Partei“ (PS) präsentierte sie sich bisher als unabhängige Kandidatin. So wolle sie "Bedingungen schaffen, damit Chile gerechter und solidarischer wird, mit mehr Gleichheit und Mitbestimmung".