Vorverhandlung im Curuguaty-Massaker ausgesetzt

Staatsanwalt und Richter wegen Rechtsbeugung abgelehnt. Weiterhin politische Mordanschläge gegen Kritiker der Oberschicht

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Angehörige der ermordeten Kleinbauern und Landlosen fordern Gerechtigkeit
Angehörige der ermordeten Kleinbauern und Landlosen fordern Gerechtigkeit

Asunción. Die Vorverhandlung gegen zwölf von 14 angeklagten Kleinbauern und Landlosen im Prozess um das Massaker von Curuguaty ist unlängst ausgesetzt worden. Anwalt Vicente Morales,

der den Bauernführer Ruben Villalba vertritt, warf Staatsanwalt Jalil Rachid und Richter José Benitez Rechtsbeugung und Befangenheit vor.

Das Massaker von Curuguaty, bei dem am 15. Juni 2012 elf Landlose und sechs Polizisten starben, war damals zum Vorwand genommen worden, um den demokratisch gewählten Präsidenten Paraguays, Fernando Lugo, am 22. Juni in einem parlamentarischen Staatsstreich zu stürzen. Die international massiv kritisierte Amtsenthebung hatte zu Protesten in Paraguay geführt. Die seither formierte Widerstandsbewegung führte auch zu einem erneuten Aufflammen der Kämpfe gegen reiche Großgrundbesitzer im Land.

Dieser Konflikt spigelt sich auch in dem Rechtsstreit um das Massaker von Curuguaty wider. Der ermittelnde Staatsanwalt Rachid ist eng befreundet mit der Familie des inzwischen verstorbenen hochrangigen Funktionärs der rechtsgerichteten Colorado-Partei, Blas Riquelme. Auf dessen mutmaßlich illegalen Ländereien kam es zu dem blutigen Massaker. Rachid erklärte die 14 Inhaftierten schon Wochen vor Prozessbeginn gegenüber der Presse für schuldig, ohne Beweise zu präsentieren. Seine Beschuldigungen stützt er, wie er selbst eingestehen musste, ausschließlich auf die Aussagen von Polizisten.

Dem stehen die Ergebnisse der parallel von Menschenrechtsorganisationen durchgeführten Untersuchungen entgegen. Sie belegen, dass die tödliche Auseinandersetzung nicht von den Landlosen provoziert wurde. Am Tatort aufgefundene Geschosse vom Kaliber 5,56 wurden bisher von der Staatsanwaltschaft nicht berücksichtigt, ebenso wenig wie ein Handy-Video, in dem die Schüsse aus automatischen Waffen zu hören sind. Diese Beweise jedoch erschüttern die zentrale Hypothese der Anklage, dass die Landlosen die Polizei in einen Hinterhalt gelockt und erschossen hätten.

Ein 17-jähriger wurde zwischenzeitlich wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und Landbesetzung in einem Schnellprozess zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. "Die Täter sind nicht die, die im Gefängnis sitzen", sagte Domingo Laíno, Vertreter der Untersuchungskommission der Kleinbauern, gegenüber der Presse.

In Paraguay befinden sich etwa 85 Prozent des Bodens, zirka 30 Millionen Hektar,  in den Händen von nur zwei Prozent der Bevölkerung. Damit ist Paraguay das Land mit der höchsten Konzentration an Landbesitz in Lateinamerika, gefolgt von Brasilien, Uruguay und Panama. Die Armutsrate im ländlichen Bereich liegt bei etwa 53 Prozent. Das führt zu ständigen sozialen Konflikten. Die Landlosen und Kleinbauern kämpfen mit Demonstrationen, Straßenblockaden und Besetzungen von unrechtmäßig angeeigneten Ländereien um ihr Recht auf ein Stück Land. Der Staat antwortet darauf mit Verfolgung, Kriminalisierung und Inhaftierung, die Agrar-Oligarchie macht Jagd auf die Anführer und Funktionäre der Kleinbauern-und Landlosenbewegung. Seit 1989 wurden 129 von ihnen ermordet. Zuletzt der Bauernaktivist Benjamín Lezcano, der sich gegen Gensoja-Pflanzungen und den Zugriff transnationaler Konzerne auf Land eingesetzt hatte und in der vergangenen Woche von zwei unbekannten Männern nahe seinem Haus erschossen wurde. Bisher ist keiner dieser Fälle aufgeklärt worden.

Eine Studie des Lateinamerikanischen Rates der Sozialwissenschaften verweist auf die zunehmende Vertreibung bäuerlicher Gemeinden zugunsten der Ausweitung der Soja-Produktion. Während im Jahr 1991 eine Million Hektar für den Sojaanbau genutzt wurden, waren es im Jahr 2010 schon 2,6 Millionen.