Honduras

Alarmierender Menschenrechtsbericht aus Honduras

Außergerichtliche Hinrichtungen, Massenverhaftungen, Einschränkung der Meinungsfreiheit. Mit dem Putsch ist die Demokratie in Honduras suspendiert

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Alarmierender Menschenrechtsbericht aus Honduras
Tot von Isis Obed Murillo Mencias

Tegucigalpa. Die Internationale Menschenrechtskommission stellte heute früh ihren ersten Bericht vor. Darin stellt die Gruppe "gravierende und systematische Menschenrechts-verletzungen" seit der Machtergreifung der De-Facto-Regierung fest. So soll es in mindestens sechs Fällen zu extralegalen Hinrichtungen gekommen sein. Die Beobachter sehen Indizien für die Existenz von paramilitärischen Gruppen, mehr als 1.200 Personen wurden willkürlich festgenommen. Außerdem führte das Micheletti-Regime eine rassistische Kampagne gegen Ausländer aus den Nachbarstaaten, bei der insbesondere Nicaraguaner systematisch verfolgt werden. Das Regime begründet dieses Vorgehen mit einer angeblich von außen kommenden Bedrohung des Landes. Tatsächlich bedroht werden im Land politische Aktivisten und Journalisten. Die Putschisten schränkten die Meinungsfreiheit massiv ein.

Tote und extralegale Hinrichtungen

Der bekannteste unter den Toten ist Isis Obed Murillo Mencias. Bei der Demonstration am internationalen Flughafen am 5. Juli wurde der 19-jährige vom Militär erschossen. Seitdem ist er eine der Symbolfiguren des demokratischen Widerstands. Zwei Tage vorher erschossen Unbekannte den Journalisten Gabriel Fino Noriega, als er seinen Arbeitsplatz bei Radio Estelar im Bundesstaat Atlántida verließ. Ramon Garcia, Sprecher der linken Partei Unión Democrática (UD) wurde aus einem Bus geholt, als er von einer Demonstration gegen das Michiletti- Regime zurückfuhr. Später wurde er in der Ortschaft Santa Bárbara erschossen aufgefunden.

Der ehemalige Funktionär der Textilarbeitergewerkschaft Roger Ivan Babados wurde am 11. Juli aus seinem Wohnhaus in San Pedro Sula entführt, nachdem er Morddrohungen erhalten hatte. Kurze Zeit später wurde er erschossen. Babados war ebenfalls Mitglied der Partei UD. In der selben Stadt wurde Vicky Hernandez, Mitglied der Stadtteilorganisation LGTB, durch einem Schuss ins Auge getötet. Die Leiche wies Zeichen einer vorherigen Strangulation auf. Außerdem wurde der Kommission von einer unbekannten Leiche in der Hauptstadt Tegucigalpa berichtet, die mit einem T-Shirt der Kampagne für die verfassungsgebende Versammlung bekleidet war. Der Tote wurde in La Montañita gefunden, einem Ort, an dem sich bereits in den 1980er Jahren ein geheimer Friedhof für extralegale Hinrichtungen durch das Militär befand.

Verschwundene, Bedrohungen und willkürliche Verhaftungen

Außerdem machte das honduranische Menschenrechtszentrum CIPRODEH auf mindestens zwei Fälle von Verschwundenen aufmerksam: Anastasio Barrera, Mitglied der Nationalen Landarbeitergewerkschaft, wurde am 5. Juli in Atlántita von Unbekannten in Polizeiuniformen entführt. In San Juan Pablo verschwand eine Woche später der Jugendliche Manuel Sevilla, als er von einer Demonstration zurückkehrte.

Ein besonders skandalöser Übergriff betrifft den Vater des am Flughafen getöteten Jugendlichen. Don José David Murillo Sánchez wurde festgenommen, nachdem er bei der zuständigen Staatsanwalt für Menschenrechtsfragen den Tot seines Sohnes angezeigt hatte. Ein später ausgestellter Haftbefehl wurde mit einem alten Verfahren begründet, bei dem es um Nachbarschaftsstreitigkeiten ging. Don Murillo Sánchez befindet sich immer noch in Haft. Nach Angaben der Menschenrechtskommission ist dies kein Einzelfall, sondern Unterstützer der legitimen Regierung werden systematisch mit Gerichtsprozessen überzogen.

Die Menschenrechtsbeobachter fanden außerdem Hinweise, dass an den Übergriffen auf Regime-Gegner auch paramilitärische Gruppen beteiligt sind, gebildet von Zivilpersonen aus dem Drogenhändler-Milieu und von privaten Sicherheitsdiensten. Im Bundesstaat Colón operierten uniformierte Zivilisten gemeinsam mit dem XV. Batallion der honduranischen Armee. Auffällig sei außerdem, dass viele der Übergriffe auf Unterstützer der legitimen Regierung im Schutz der vom Militär verhängten Ausgangssperre stattfinden.

Nach offiziellen Angaben wurden im Zusammenhang mit Demonstrationen und während der Ausgangssperre 1275 Personen verhaftet. Besonders betroffen von den willkürlichen Verhaftungen sind nach Angaben der Menschenrechtskommission in Honduras lebende Ausländer aus den Nachbarstaaten, die in dem Land auf den Plantagen oder als Haushaltshilfen arbeiteten. Insbesondere Nicaraguaner sind Opfer von willkürlichen und illegalen Festnahmen. Die Putschisten und ihre Anhänger führen eine regelrechte rassistische Kampagne, in deren Kern die Behauptung steht, das sozialistisch regierte Nicaragua würde sich in die inneren Angelegenheiten von Honduras einmischen. Unter anderem rufen die Massenmedien die Bevölkerung auf, Ausländer bei der Polizei zu denunzieren.

Einschränkung von Medien

Die Menschenrechtskommission stellt in ihrem Bericht außerdem schwere und andauernde Angriffe auf die Meinungsfreiheit fest. In Tegucigalpa besetzte das Militär die Fernsehsender Canal 36 und Radio TV Maya sowie den Radiosender Radio Globo. Während des Putsches beschossen Soldaten den Radiosender Radio Juticalpa mit einem Maschinengewehr. Aus verschiedenen Regionen des Landes liegen Berichte vor, dass die Übertragung von Sendern mit dem Putsch unterbrochen wurde. Seitdem kommt es immer wieder zu "Stromabschaltungen". Übereinstimmend berichten Journalisten und Redakteure, dass sie Morddrohungen erhalten, wenn sie dem Regime gegenüber kritisch berichten.

In der Stadt Progreso besetzten Militärs das Radio PROGRESO und schalteten es ab. Der Direktor des Senders, der jesuitische Geistliche Ismael Moreno, wurde zeitweise verhaftet, ebenso der Journalist Romell Alexander Gómez Mejía. Er und andere Mitarbeiter des Senders erhalten andauernd Morddrohungen, teilweise über die Handys von nahen Angehörigen. Das Journalistenkollektiv Equipo de Reflexión y Comunicación (ERIC), das eng mit dem Sender zusammenarbeitet, wurde ebenfalss vom Militär aus seinen Büros vertrieben. Mitarbeiter wurden bedroht. Bis heute sind Soldaten vor ihren Büros postiert.

In Atlántica wurden Journalisten vom örtlichen Marine-Kommandanten telefonisch darüber informiert, dass es "verboten" sei, über andere Demonstrationen als die zur Unterstützung des Michiletti-Regimes zu berichten. Anderenfalls würde ihre Ausrüstung beschlagnahmt. Auch hier wurden Journalisten, die sich nicht an diese Anweisung hielten, aus ihren Büros abgeholt und bedroht. Unter anderem wurden vier Mitarbeiter des Canal 5 verhaftet. Sowohl Journalisten als auch politische Aktivisten berichten aus allen Landesteilen, dass ihre Telefon- und Internetverbindungen immer wieder unterbrochen werden, um ihre Kommunikation zu behindern.

Ein besonderer Fall sind die Demonstrationen der "Weißen Hemden" zur Unterstützung des Regimes. Der Menschenrechtskommission liegen eine Vielzahl von Berichten vor, nach denen Angestellte dafür bezahlt wurden, an den Kundgebungen zur Unterstützung der Putschisten teilzunehmen. Gleichzeitig wurden Mitarbeiter von ihren Chefs bedroht, damit sie nicht an Protestkundgebungen teilnehmen.