Bolivien

Bolivien vor der Wahl

Evo Morales verfügt über beste Prognosen. Biometrische Wahltechnik umstritten

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Bolivien vor der Wahl
Mehr als eine Million Menschen bei der Abschlusskundgebung der MAS

La Paz. Am kommenden Sonntag finden in Bolivien Präsidentschaftswahlen statt. Außerdem werden die Abgeordneten für das Parlament und den Senat bestimmt. Allen Prognosen zufolge werden Amtsinhaber Evo Morales und die Bewegung zum Sozialismus (MAS) die verschiedenen Wahlen deutlich für sich entscheiden. Bisher werden dem Koka-Gewerkschafter Morales 55 Prozent prognostiziert, allerdings wird auch die Wahlbeteiligung höher liegen als bei den letzten Wahlen, was eine zusätzliche Unterstützung für das Lager der sozialistischen Regierung des Andenlandes mit sich bringen könnte. Für die Opposition bleibt die wichtigste Frage, ob sie ihre Mehrheit im Senat halten kann. Da ihre Vertreter bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen chancenlos sind, ist dies die letzte parlamentarische Institution, von der aus sie die Regierungspolitik behindern könnte.

184 Jahre nach der ersten Wahl in Bolivien werden bei diesem Wahlgang die Urnen abgeschafft. Auf Druck der Opposition, welche die Zuverlässigkeit der Handauszählung in Zweifel zog, entschied der Oberste Wahlrat (CNE), ein digitales Wählerverzeichnis einzuführen und per Knopfdruck abstimmen zu lassen. Mehr als 5 Millionen Wählerinnen und Wähler mussten sich mit Fingerabdruck biometrisch erfassen lassen. Alleine der wirtschaftliche Aspekt der Entscheidung ist fragwürdig: Mehr als 43 Millionen US-Dollar kostet die Wahldurchführung auf diese Weise zusätzlich. Außerdem wird mit der Durchführung "elektronischer" Wahlen die gesamte politisch aktive Bevölkerung Boliviens digital erfasst.

Mit dem Argument, dass "Unregelmäßigkeiten" bei der Einschreibung ins Wählerregister vermieden werden sollten, mussten die Bolivianer zudem Passfotos und eine digitalisierte Unterschrift zusammen mit ihren Meldedaten speichern lassen. Weiterhin erfasst der CNE die Mitglidschaft in politischen Parteien. Durchgeführt wird die Wahl mithilfe des Technologieanbieters Smartmatic, einem privaten Unternehmen mit Stammsitz in den USA. Nach Ansicht des CNE ist ein Missbrauch der Daten "ausgeschlossen, weil es sich um vertrauliche Daten handelt", wie Antonio Costas, der Präsident der Organisation gegenüber der Presse argumentierte.

Journalisten und unabhängige Beobachter kritisieren, dass der CNE dem Unternehmen Smartmatic den Zuschlag für die Durchführung der Wahl ohne Ausschreibung übertrug, und obwohl gegen die Firma Vorwürfe bestehen, an Fällen von Wahlbetrug beteiligt gewesen zu sein. Smartmatic stellte u.a. die Technologie für die umstrittenen Wahlen in Mexiko. Kreise der venezolanischen Opposition hatten beim Referendum im Jahr 2004 kritisiert, dass das Unternehmen Sequoia, das zeitweilig Eigentum von Smartmatic war, mit der Durchführung betraut war. Bei der aktuellen Auftragsvergabe in Bolivien ist vor allem ungewöhnlich, dass bereits ein Vertrag mit dem argentinischen Unternehmen NEC über die technische Durchführung der Wahlen bestand. Nach Angaben des CNE habe man sich kurzfristig anders entscheiden müssen, da nur Smartmatic die Einschreibung und Durchführung in solch einem kurzen Zeitraum habe gewährleisten können.


Bild: ABI