Demokratie wagen

In Venezuela finden heute Vorwahlen der vereinten Sozialisten für Regionalwahlen statt. Kritik von Bündnispartnern an Alleingang der Megapartei

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Demokratie wagen
Fördert direkte Demokratie: Staats- und Parteichef Hugo Chávez

Caracas. Die über fünf Millionen Mitglieder der Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) sind heute aufgerufen, Kandidaten für die Regionalwahlen im November zu bestimmen. In einer landesweiten Abstimmung sollen aus tausenden Bewerbern Anwärter auf die über 20 Gouverneursposten und 335 Bürgermeisterämter ausgewählt werden. Ergebnisse werden Anfang der Woche erwartet.

Die nun durchgeführte Vorwahl war von der Parteibasis lange gefordert worden. In deren Sinne wurden im Vorfeld öffentliche Kampagnen einzelner Kandidaten untersagt. Besonders die in der Vergangenheit verbreitete Nutzung des Konterfeis des Präsidenten Hugo Chávez zur Vertrauensgewinnung für sich wurde nicht gestattet. Vorstellen konnten sich die Anwärter in parteiinternen Foren oder in Fernseh-Diskussionsrunden.

Andere Punkte des Verfahrens stoßen unterdessen auf Kritik: Erhält kein Bewerber mehr als 50 Prozent der Stimmen oder hat keiner einen 15prozentigen Vorsprung, so kann das Parteipräsidium den Kandidaten festlegen. Mehrere aussichtreiche Bewerber äußerten die Befürchtung, dass der Vorstand Favoriten habe, die bei knappem Wahlausgang auch ohne Mehrheit bei den Vorwahlen zum Kandidaten gekürt werden könnten.

Im Nachhinein wird sich somit zeigen, ob das Ergebnis der heute stattfindenden Abstimmung durch die Parteiführung akzeptiert wird, oder mehr oder weniger als eine Konsultation der Basis eingeordnet werden kann. Wenn der Willen der Mitglieder respektiert wird, könnte diese Vorwahl in die Geschichte eingehen: Das erste Mal wählt eine Partei dieser Größe ihre Kandidaten von der Basis aus.

Wahlbündnis übergangen - Einheit gefährdet?

Die PSUV bricht mit der Vorwahl mit der in Venezuela üblichen Praxis, Kandidaten hinter verschlossenen Türen auszuhandeln. Auch in chavistischen Wahlbündnissen war dies bisher der Fall. Allerdings hoffen viele kleinere Parteien, die nicht in der neuen Regierungspartei aufgegangen sind, aber Präsident Chávez weiter unterstützen, immer noch auf eine Rückkehr zu einem System dieser Art. Zuversicht schöpften sie aus der Bildung des Wahlbündnisses Patriotischer Pol Anfang April. Doch schlussendlich Entschied sich die PSUV im Alleingang für die Durchführung von internen Vorwahlen und nahm keinerlei Rücksicht auf ihre Bündnispartner, wofür sie folglich auch scharfe Kritik erntete: Das Vorgehen gefährde die Einheit der Bewegung, mahnten Vertreter von verschiedenen Gruppierungen.

Etwas hilflos veröffentlichte dann die Partei Vaterland für Alle (PPT) eigene Vorkandidaten für bestimmte Regionen. Vertreter der Organisation äußerten die Hoffnung, dass Staatspräsident Chávez, der zugleich PSUV-Parteivorsitzender ist, schlussendlich im Sinne des Patriotischen Pols in einigen Regionen eine Entscheidung gegen den Basiskandidaten der PSUV und für den Vorschlag der PPT treffen werde, wenn dieser vermeintlich bessere Aussichten auf Erfolg habe. Die Kommunisten (PCV) haben auch entsprechende Hoffnungen. Politbüro-Mitglied Francisco Millán betonte aber, dass man bei Kandidatenvorschlägen natürlich auch die eigene Basis befragen werde.

Parteien wie PPT und PCV stecken in einem Dilemma: Sie hatten ihre Auflösung zu Gunsten der Vereinten Sozialistischen Partei abgelehnt, um ihre Unabhängigkeit zu wahren. Mit der Existenz einer eigenen Kleinpartei hoffen sie zudem auf überproportionalen Einfluss, wie es in der Vergangenheit der Fall war. Genau das ist den Menschen im Land ein Dorn im Auge und die Parteibasis der Megapartei PSUV wird alles dafür tun, eine Rückkehr zu solchen Mechanismen zu verhindern.

Bei der Regionalwahl werden bei knappen Entscheidungen die Kandidaten der Regierungspartei PSUV allerdings auf die Stimmen externer Unterstützer angewiesen sein. Diese halten bisher in ihrer Mehrheit trotz der offenen Ignoranz der PSUV an dem Bündnis fest. Manche Partei-Neugründungen lancieren jedoch auch Gegenkandidaturen. Kurioserweise nicht ohne ihre Loyalität mit Präsident Chávez zu betonen - trotz klarer Opposition zu seinem Projekt einer vereinten sozialistischen Partei. Chávez’ Ziel, darin einmal alle Unterstützer der "bolivarischen Revolution" zu vereinen, hat offensichtlich bisher eher zu einem Anwachsen des Parteienregisters geführt, statt zu einer Reduktion.


Quellen:

Bildquelle: ABN