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Mehrheit verfehlt

Bolivien: Hohe Enthaltung bei Autonomiereferendum in Tarija

La Paz. Im erdgasreichen Departamento Tarija ist am Sonntag das vorerst letzte von insgesamt vier Referenden für mehr regionale Selbstbestimmung gegenüber der Zentralregierung abgehalten worden. Wie bei den vorangegangenen Volksabstimmungen in den Landesteilen Santa Cruz, Beni und Pando war der Wahlausgang nicht eindeutig - die rechte Opposition behauptete einen Sieg der Autonomiebefürworter, Boliviens Regierung verwies auf die große Anzahl von Wählern, die gar nicht an den Urnen erschienen waren. Mit den Referenden versucht die rechte Opposition, die von Präsident Evo Morales angeführte "demokratisch-kulturelle Revolution" zu stoppen.

80 Prozent sollen laut Angaben aus Tarija für das hinter verschlossenen Türen von selbsternannten Bürgerkomitees ausgearbeiteten "Autonomie-Statut" gestimmt haben. Die Regierung der "Bewegung zum Sozialismus" (MAS) hingegen wertet die hohe Wahlenthaltung von knapp 35 Prozent als größten Wahlboykott seit der Rückkehr Boliviens zur Demokratie vor 20 Jahren. Waren am Sonntag 173231 Wahlberechtigte zur Stimmenabgabe aufgefordert, so sprachen sich lediglich 85532 für die Autonomie aus, dagegen votierten 21044 (19,7 Prozent).

Zusammen mit den sozialen Bewegungen vor Ort hatte die MAS eine Strategie des Wahlboykotts ausgegeben, um dem Urnengang die Legitimation zu entziehen. Das "Oberste Nationale Wahlgericht" (CNE) hatte der Abstimmung zuvor keine Genehmigung erteilt und sie als "illegale Wahl" eingestuft. Der Plan der Regierung ist größtenteils aufgegangen: Die "Nein"-Stimmen plus aktive Wahlenthaltung repräsentieren 50 Prozent der Wähler. Tarijas regierungsfeindlicher Präfekt Mario Cossío hielt nach Bekanntgabe der Ergebnisse unbeirrbar an seinem pseudodemokratischen Diskurs fest: "Diese Wahl bringt den wahren Wandel, diese Wahl bringt unserem Volk den Wohlstand, diese Wahl ist für Tarija und für unser bolivianisches Vaterland, für die Demokratie."

Worum es der konservativen Elite wirklich geht, brachte Präsident Evo Morales anlässlich einer Eröffnungsfeier für eine Schule nahe der Stadt Cochabamba zum Ausdruck. Sie habe Angst vor dem "strukturellen Wandel", den das Land gerade durchlaufe. Im August nun werden die Bolivianer selbst entscheiden können, ob die Reformen weitergehen sollen. In einem landesweit Referendum stimmen sie darüber ab, ob der Präsident und sein Stellvertreter - aber auch die regierungsfeindlichen Kräfte, die Präfekten der Autonomieregionen - im Amt bleiben.


Den Originaltext der Tageszeitung junge Welt finden Sie hier.