Amerikas

"Direktive der Schande"

Boliviens Präsident Evo Morales wendet sich in einem offenen Brief gegen die geplante Abschieberichtlinie der Europäischen Union

La Paz. Mit einem offenen Brief hat sich der bolivianische Präsident Evo Morales Mitte der Woche gegen eine geplante Abschieberichtlinie der Europäischen Union gewandt. Die von den Innenministern der 27 EU-Staaten entworfene EU-weite Regelung sei eine »Direktive der Schande«, schreibt Morales. Sollten die Bestimmungen in Kraft gesetzt werden, so würden sie eine konkrete Gefahr für die Handelskontakte zwischen dem ressourcenreichen südamerikanischen Land und den Staaten der EU darstellen.

Die Abschieberichtlinie, die offiziell "Rückführungsverordnung" genannt wird, wurde am 5. Juni von den Innenministern der 27 Unionsstaaten in Luxemburg vorgestellt. In erster Lesung wird sie von 16. bis zum 19. Juni vom Europaparlament in Strasbourg beraten. Vorausgegangen war eine dreijährige Debatte, in der die linken Parteien, aber auch Teile der grünen und sozialdemokratischen Gruppierungen gegen die Verschärfung des Abschieberechts Einspruch einlegten.

Die neue EU-Richtlinie sieht unter anderem vor, dass Migranten ohne Aufenthaltserlaubnis künftig EU-weit für bus zu 18 Monate in Abschiebehaft genommen werden können. Die maximal anderthalbjährige Haft findet auch bei Minderjährigen Anwendung. Wer einmal ausgewiesen wurde, kann mit einem lebenslangen Einreiseverbot belegt werden. Dabei ist unerheblich, ob noch Familienangehörige in dem abschiebenden EU-Staat leben. Prozesskostenbeihilfe wird den Migranten nicht mehr in jedem Fall gewährt.

Wenn illegale Einwanderer von den EU-Staaten künftig mit Haft und Deportation bedroht würden, sei es "ethisch unmöglich", wirtschaftliche Handelsgespräche mit der EU zu führen, schrieb Morales in dem offenen Brief, den er an "Regierungsvertreter, Europa-Parlamentarier" ebenso richtete wie an seine »Compañeras und Compañeros« in Europa. "wir behalten uns auch das Recht vor, für die europäischen Bürger die gleichen Visapflichten festzulegen, die sie den Bolivianern seit dem 1. April 2007 auferlegen", heißt es in dem Schreiben weiter. Die Regierung in La Paz habe bislang lediglich nichts weiter unternommen, weil sie auf "positive Signale von der EU gehofft" habe.


Dokumentiert wurde eine deutsche Übersetzung des Briefes von der Tageszeitung junge Welt.