HRW-Märchen und die Fakten

Die Wahrheit leidet im Venezuela-Report von Human Rights Watch

Am 18. September 2008 gab die Organisation Human Rights Watch einen Report unter dem Titel "Venezuela: Das Recht leidet unter Chávez" (Venezuela: Rights Suffer Under Chávez) heraus. Der Report enthält eine Reihe von tendenziösen und falschen Behauptungen. Er behauptet wahrheitswidrig, dass die Menschenrechte in Venezuela nicht gewährleistet oder nicht durchgesetzt würden. Außerdem unterschlägt der Report den Fortschritt, den die Regierung bei wesentlichen Menschenrechten abseits der politischen Sphäre erzielt hat, etwa beim Zugang zu Bildung, Gesundheitswesen, Lebensmitteln, Trinkwasser und Wohnungen.

Ein Märchen: "Diskriminierung aus politischen Gründen ist ein Wesensmerkmal der Präsidentschaft von Chávez."

Die Fakten: Human Rights Watch erachtet selbst den Anti-Chávez-Putsch von 2002 als "den dramatischsten Rückschlag" für die Menschenrechte in Venezuela in der letzten Dekade. Trotzdem kritisiert die Organisation die Verurteilung des verfassungswidrigen Staatsstreiches durch Präsident Chávez als Beispiel "politischer Diskriminierung" der Opposition. Im Gegensatz dazu hat Chávez Ende vergangenen Jahres eine ganze Reihe politischer Gegner begnadigt, die den Putsch gegen die demokratisch gewählte Regierung 2002 unterstützt hatten. "Es geht darum, die Seite umzublättern", erklärte Chávez 2007: "Wir wollen eine heftige ideologische und politische Debatte - aber in Frieden"[1]. In diesem Geist hat die Regierung oft den Input der Opposition begrüßt, zum Beispiel, als sie die Führer des Protestes rechter Studenten zur Nationalversammlung sprechen ließ.

Ein Märchen: Die Chávez-Regierung zeigt eine "offene Geringschätzung für das Prinzip der Gewaltenteilung - speziell für eine unabhängige Judikative".

Die Fakten: Human Rights Watch schrieb in einem früheren Report 2004, dass Präsident Chávez 1999 "eine Judikative erbte, die seit vielen Jahren von Einflusslosigkeit, politischer Einmischung, und vor allem Korruption geplagt wurde. (...) In Bezug auf seine öffentliche Glaubwürdigkeit war das System bankrott". Unter Chávez, so räumte Human Rights Watch ein, wurde der Zugang zur Justiz in Venezuela durch den Ausbau des Gerichtssystems erleichtert [2]. Auch die Weltbank stellte 2003 fest, dass "die Bestrebungen zur (Justiz-)Reform signifikante Fortschritte gebracht haben - der TSJ (Oberste Gerichtshof) ist moderner und effizienter"[3]. Nachweis der Stärke der demokratischen Institutionen in Venezuela ist die Fähigkeit des Nationalen Wahlrates, Entscheidungen durchzusetzen, die im Gegensatz zu den Interessen der Regierung stehen, wie der knappe Sieg der Nein-Seite in der Volksabstimmung über eine Verfassungsänderung im Dezember 2007 zeigt.

Ein Märchen: Chávez "hat die Balance der Massenmedien signifikant zugunsten der Regierung geändert (...) indem er Taschenspielertricks gegen kritische Oppositions-Medien anwandte".

Die Fakten: Die venezolanischen Medien werden heute ebenso wie zur Zeit des versuchten Putsches gegen Chávez 2002 von der Opposition dominiert. Die "Anti-Regierungsmedien", die Human Rights Watch erwähnt, nehmen weiterhin den größten Teil des öffentlichen Frequenzspektrums ein, und ihre oft extreme Opposition zur Regierung reicht bis zum Aufruf zum Sturz der gewählten Regierung wie 2002. Es gibt keine größeren Pro-Regierungszeitungen in Venezuela. Die neuen, von der Regierung finanzierten TV-Sender und Radiostationen wie TVes (Venezuelas erster öffentlich-rechtlicher Fernsehsender) und TeleSur (ein lateinamerikanisches Netzwerk mit Unterstützung aus mehreren Ländern) haben eine viel geringere Reichweite als die privaten Stationen. Außerdem hat die Regierung nie oppositionelle Medien zensiert oder "geschlossen". Die Lizenz des privaten Kanal RCTV für die Nutzung eines terrestrischen Frequenzbandes wurde nicht verlängert, weil er ständig gegen Gesetze verstieß. Das reichte bis zum Aufruf zu Gewalt aus politischen Gründen. Trotzdem konnte RCTV ohne Probleme ins Kabelfernsehen wechseln.

Ein Märchen: Die Chávez-Regierung "hat versucht, die Arbeiterbewegung des Landes auf eine Art und Weise zu erneuern, die gegen Grundprinzipien der Vereinigungsfreiheit verstößt".

Die Fakten: Die Chávez-Regierung hat die Gründung von Gewerkschaften und das Aushandeln von Tarifverträgen durch Arbeitnehmerorganisationen aktiv unterstützt, aber sie hat diesen Bereich nicht kooptiert. Die Unión Nacional de Trabajadores de Venezuela (UNT) wurde im April 2003 durch Arbeiter gegründet, die die Politik der Regierung unterstützen. 2008 griff die Regierung vermittelnd in einen Arbeitskampf zwischen Stahlarbeitern und der in ausländischem Besitz befindlichen Firma Sidor ein. Als sich keine Einigung erreichen ließ, stellte die Regierung die Fabrik auf Forderung der Arbeiter wieder unter staatliche Kontrolle. Die Stahlarbeiter konnten einen Anteil an ihrer Fabrik kaufen und so ihre Kontrolle über das Werk durchsetzen.

Ein Märchen: Die Chávez-Regierung hat "eine aggressiv-feindliche Haltung gegen lokale Menschenrechtsvertreter und Organisationen der Zivilgesellschaft eingenommen".

Die Fakten: Die Chávez-Regierung hat lokale Aktivisten ermutigt, Bürger-Räte (consejos comunales) zu gründen, die den Bewohnern eines Viertels die Definition und Lösung ihrer dringendsten Probleme erlauben - von der Müllbeseitigung bis zum Bau von Schulen. Dieses Konzept beruht auf dem Glauben, dass lokale Gruppen am besten wissen, was ihren Communities fehlt. Consejos comunales demokratisieren die lokale Regierung und geben den Leuten das Geld und die Mittel, Entscheidungen für sich selbst zu treffen. Ein weiteres Feld lokaler Beschlüsse sind die sozialen "Misiones", deren Aufgabe es ist, die Armut in den am stärksten marginalisierten Gegenden des Landes zu reduzieren. Gesundheitszentren, Bildungszentren, subventionierte Lebensmittel-Märkte und andere entsprechende Initiativen beruhen auf lokalen Freiwilligen und sind rechenschaftspflichtig gegenüber diesen Communities.

Fazit

Der Report "Venezuela: Das Recht leidet unter Chavez" bietet eine unvollständige und tendenziös-verzerrte Darstellung der Entwicklung der Menschenrechte in Venezuela in den letzten zehn Jahren. Er übertreibt die Bedeutung von Diskriminierung aus politischen Gründen und klagt die Regierung an, auf Oppositionelle zu zielen, während sie in Wahrheit Unterstützer des Putsches begnadigt hat und sich für einen offenen Dialog einsetzt. Der Report ist auch falsch, was die Gewaltenteilung und die Medien anbelangt. Die Institutionen kontrollieren sich gegenseitig, und sie haben sich seit dem ersten Wahlsieg von Chávez deutlich weiterentwickelt. Es gibt keine Zensur der Massenmedien, und die Opposition dominiert immer noch Rundfunk und Fernsehen. Im Bereich der Zivilgesellschaft erhalten Arbeiterorganisationen und demokratische Basisgruppen mehr Unterstützung durch die Regierung als jemals zuvor.

In Venezuela haben die Menschenrechte eine starke Stellung. Viele wichtige Rechtsgarantien, welche die Verfassung von 1999 festschreibt, wurden verstärkt durchgesetzt. Das gilt insbesondere auch für jene Menschenrechte die sich auf grundlegende Bedürfnisse der Menschen beziehen, wie Nahrung, Wohnung, medizinische Versorgung, Zugang zu Bildung, Arbeit, Soziale Sicherheit und das Recht auf Teilnahme am kulturellen Leben.

Human Rights Watch geht auf keinen der beeindruckenden Fortschritte in diesem Bereich etwas genauer ein. Zum Beispiel hat die UN erklärt, dass Venezuela bereits heute einige der Entwicklungsziele ("Millennium Development Goals") erreicht hat, und bei anderen auf dem Weg ist, sie bis 2015 zu erreichen. Namentlich hat das Land den Anteil der Haushalte in extremer Armut seit 1998 um 54% senken können. Die gesamte Armut ist um 34% zurückgegangen [4]. Diese Fakten gehören zum vollständigen Bild der Menschenrechtssituation in Venezuela dazu.


Quelle: Venezuela Information Office (USA)

Der HRW-Report findet sich hier.


[1] "Chávez pardons accused coup backers" Ian James, Associated Press, December 31, 2007.
[2] Human Rights Watch, "Rigging the Rule of Law: Judicial Independence Under Siege in Venezuela." June 2004.
[3] World Bank, Project Information Document, Report AB510, December 9, 2003.
[4] Instituto Nacional de Estadística